Win-Win – Warum von der Globalisierung Unternehmen und Verbraucher profitieren
Published By: Fredrik Erixon
Subjects: WTO and Globalisation
Summary
Globalisierung steigert den Output der westlichen Volkswirtschaften
- Globalisierung ermöglicht die Spezialisierung von Unternehmen. Dadurch steigt der Anteil von R&D, Innovationen und Kapital am Output.
- Dank Globalisierung können neue Unternehmen besser mit etablierten Akteuren konkurrieren.
- Der Handelssektor schafft dank Export und Import immer mehr Arbeitsplätze.
Globalisierung erhöht die Haushaltseinkommen
- Globalisierung hat zur Eindämmung hoher Inflationsraten im Westen beigetragen. Konsumenten bekommen mehr für ihr Geld.
- Globalisierung hat Reallöhne steigen lassen, indem sie die Konsumkosten senkte.
- Viele Waren wie z.B. Handys oder Nähmaschinen, die sich früher nur wenige leisten konnten, gibt es mittlerweile in den meisten Haushalten.
Globalisierung eröffnet Volkswirtschaften und Menschen neue Möglichkeiten
- Globalisierung hat die Verbreitung neuer Technologien beschleunigt. Dadurch werden Volkswirtschaften ökologischer und produktiver.
- Globalisierung trägt dazu bei, geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung zu verringern und Frauen neue Möglichkeiten zu bieten.
- Globalisierung hat die Qualität des Unternehmensmanagements und die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert.
ECIPE bedankt sich bei Svenskt Näringsliv, dem Dachverband der schwedischen Wirtschaft, für die Unterstützung bei diesem Bericht
Einleitung
Sowohl Unternehmen und Verbraucher, als auch die Volkswirtschaften des Westens haben von der Globalisierung profitiert. Dennoch erleben wir derzeit, wie die Globalisierung und alle Vorteile, die die Liberalisierung des Handels in den letzten Jahrzehnten mit sich gebracht haben, in Frage gestellt werden. In den westlichen Gesellschaften wächst die Skepsis gegenüber der früheren Einschätzung, wonach mehr Freihandel eine Win-Win-Situation für alle beteiligten Länder darstelle. Der Freihandel, so wird vermutet, habe vielmehr einige Staaten zu Gewinnern der Globalisierung gemacht. Andere – und damit sind vor allem die wohlhabenderen Länder des Westens gemeint – gehörten jedoch zu den Verlierern.
So vertritt zum Beispiel US-Präsident Donald Trump die Ansicht, dass „andere Länder Amerika ausgenutzt haben“. Auslöser für derartige Ressentiments, die die Zweifel an der Globalisierung und ihrem Nutzen für den Westen nähren, ist häufig die Entwicklung in China, dessen Wirtschaft seit Ende der 1990er-Jahre rasant gewachsen ist. Der Lebensstandard in China und anderen Schwellenländern, so eine gängige Argumentation, sei infolgedessen zwar gestiegen. Dies sei allerdings auf Kosten der Arbeiterschaft im Westen geschehen, weil China die verarbeitende Industrie in Europa und Nordamerika untergraben habe. Eine Konsequenz dieser Sichtweise ist eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem politischen System im Westen, wie sie sich in den jüngsten Wahlergebnissen in Europa und den USA widerspiegelt. Die „Verlierer des Freihandels“ rächen sich am „globalisierungsfreundlichen Establishment“.
Diese Interpretation der Globalisierung ignoriert jedoch, dass etablierte Tatsachen und bekannte Wirtschaftsmuster keinen Zweifel am Nutzen von Handel und grenzüberschreitenden Investitionen lassen. Einerseits waren offene Volkswirtschaften schon immer Konkurrenz und Strukturveränderungen, die Unternehmen und Arbeitsplätze betreffen, ausgesetzt. Andererseits schaffen genau diese wirtschaftlichen Prozesse viele neue Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten und führen somit letztendlich zu einer Verbesserung des Lebensstandards. Die neu geschaffenen Arbeitsplätze sind zudem in der Regel besser bezahlt und ihre Arbeitsbedingungen besser. Innovative Produkte sind dank neuer Technologien außerdem häufig umweltfreundlicher, was wiederum der Gesellschaft als Ganzes zu Nutzen kommt.
Diese Studie untersucht, wie sich die westlichen Volkswirtschaften im Zeitalter der Globalisierung entwickelt haben. Neben einer Fülle an wirtschaftlichen Nachweisen und Forschungsergebnissen präsentiert sie konkrete Beispiele, die den lange akzeptierten Konsensus zum Thema Freihandel unterstützen. Zentrale Schlussfolgerung ist, dass der schnelle Anstieg des Welthandels in den drei Jahrzehnten vor der Finanzkrise die westlichen Volkswirtschaften und den Lebensstandard ihrer Bürger deutlich verbessert hat. Die Globalisierung trug erheblich dazu bei, neue Technologien zu verbreiten und Geschäftsmöglichkeiten sowohl in den Schwellen-, als auch in den Industrieländern zu schaffen. Entgegen gängigen Behauptungen half sie, Humankapital aufzuwerten, und erlaubte es Unternehmen, die Mitarbeiter, deren es im internationalen Wettbewerb bedarf, an sich zu binden.
Seit der Finanzkrise 2008 hat sich der Globalisierungsprozess jedoch verlangsamt. Der freie Welthandel leidet unter zunehmendem Protektionismus und einer schwachen Gesamtwirtschaftsleistung des Westens. Der Handel wächst nicht mehr sehr stark. Für den Westen, aber auch für alle anderen Staaten, sollte dies ein Grund zur Sorge sein, nicht zur Freude.
Die wirtschaftlichen Vorteile der Globalisierung
Man kann auf unterschiedlichste Art und Weise untersuchen, wie die Globalisierung die Bedingungen für Unternehmen, den Lebensstandard der Bevölkerung und die Wirtschaftsleistung insgesamt verbessert hat. Wir wollen uns zunächst jedoch kurz anschauen, wie Handel funktioniert und wie Wirtschaftswissenschaftler Globalisierung definieren.
Die Ära der Globalisierung, also die Jahre von 1980 bis 2010, waren einzigartig, weil der Welthandel sehr schnell wuchs. Zwar expandierte er auch schon vor 1980 und selbst in den Jahren nach 2010 können wir eine leichte Zunahme beobachten. Doch all dies ist nichts im Vergleich mit den Jahren 1980 bis 2010. Dasselbe lässt sich für ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment FDI) sagen, die in diesen drei Jahrzehnten um ein Vielfaches anstiegen.
Abbildungen 1 und 2 verdeutlichen dies. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Exporte weltweit von 1800 bis 2014. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Welthandel über einen Zeitraum von 150 Jahren nur geringfügig wuchs. In den 1950er-Jahren zog er erstmals an und von 1950 bis 1980 verzehnfachte sich das Welthandelsvolumen. Der richtige Boom erfolgte jedoch zwischen 1980 und 2010, als das Welthandelsvolumen um fast das 35-fache zunahm. In den letzten Jahren allerdings war, wie die Abbildung auch zeigt, der Zuwachs gering. Nach der Finanzkrise 2008 brach der Welthandel zusammen, erholte sich in den darauffolgenden zwei Jahren wieder und brach anschließend erneut ein. Seitdem stagniert er.
Abbildung 1: Index des Welthandels 1800 – 2014Quelle: Federico, G. und Tena-Junguito, A., 2016, A Tale of Two Globalisations: Gains from Trade and Openness 1800-2010. Centre for Economic Policy Research Working Paper 11128
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der weltweiten FDI-Zuflüsse von 1980 bis 2016[1]. Sie wuchsen noch stärker als das Handelsvolumen und stiegen in diesem Zeitraum von 0.7 auf 25 Billionen US-Dollar.
Abbildung 2: Weltweite ausländische Direktinvestitionen (Zuflüsse, in Mio. Dollar zum jeweiligen Preis)
Was die drei Jahrzehnte von 1980 bis 2010 auch einzigartig macht, ist, dass der internationale Handel schrittweise global wurde. Nach dem 2. Weltkrieg spielte sich Welthandel in erster Linie zwischen Industrienationen ab, genauer gesagt zwischen europäischen Staaten und Nordamerika. Gegen Ende der 1970er-Jahre kamen weitere Länder wie zum Beispiel Japan, hinzu. Wirklich global wurde Handel jedoch erst in den 30 Jahren, die wir als Globalisierung bezeichnen.
Immer mehr Staaten bauten ihre Handelsbarrieren ab. Sie führten Reformen durch, die den internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie den Kontakt mit ausländischen Unternehmen ermöglichten (zum Beispiel durch die Zulassung des Devisenumtauschs). Als Folge dessen flossen Investitionen ausländischer Unternehmen in diese Länder und deren internationaler Handel wuchs so schnell wie nie zuvor.
Die steigende Bedeutung des Handels spiegelt sich auch in seinem immer größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dieser Anteil wuchs weltweit von rund 25 Prozent 1960 auf 58 Prozent 2016[2]. Am größten war er 2010 mit 61 Prozent, seitdem geht er, ebenso wie das Handelsvolumen, zurück. Einige Länder haben im globalen Vergleich einen erheblichen Handelssektor. In Schweden umfasste der Handelssektor zum Beispiel 85 Prozent des BIP und in Deutschland verhielt es sich genauso.
Kasten 1: Arbeitsplätze im Exportbereich
Das Wachsen des Handelssektors bedeutet auch, dass heutzutage immer mehr Arbeitsplätze vom Export abhängig sind. Laut einer Studie für die Europäische Kommission hat sich die Zahl der EU-Arbeitsplätze, die vom Export in Länder außerhalb der EU abhängen, geschätzt von 18.5 Millionen 1995 auf 31 Millionen 2011 erhöht. Das entspricht einer Zunahme um 67 Prozent. Dabei stieg vor allem die Zahl der hochqualifizierten Arbeitsplätze.[3] In der EU arbeiten jedoch noch mehr Menschen im Handel mit anderen EU-Ländern. Sie sind in oben genannter Studie nicht erfasst. In Schweden zum Beispiel hängen schätzungsweise rund eine Million Arbeitsplätze vom Güterhandel mit anderen EU-Ländern ab. Das sind mehr als 20 % aller Arbeitsplätze.[4]
Die Stagnation des internationalen Handels in den letzten Jahren hat vor allem drei Gründe. Zum einen wuchs die Nachfrage nach global gehandelten Produkten, allen voran Industriegütern wie Stahl und Maschinen, langsamer. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach lokal produzierten Dienstleistungen z.B. in der Gesundheitsvorsorge rasch. Dies lässt sich teilweise mit veränderten Nachfragemuster erklären und ist insgesamt weniger bedenklich als der zweite Grund: Protektionismus. Seit der Finanzkrise treffen Regierungen in der ganzen Welt protektionistische Maßnahmen, die ausländische Firmen ausdrücklich benachteiligen (s. Kasten 2). Drittens schließlich ist der wachsende Protektionismus auch Folge davon, dass über einen längeren Zeitraum hinweg die Regulierungskosten im Handel (zum Beispiel die Verwaltungsausgaben für die Bearbeitung von Zolldokumenten) gestiegen sind.
Was ordnungspolitische Handelshemmnisse anbelangt, so zeigt sich (s. Abbildung 3) ein klarer Trendbruch in den Jahren nach 2000 (je höher der Indexwert, desto größer die Handelsfreiheit und desto geringer die Handelshemmnisse). Bis 2000 wurde Handel immer weiter liberalisiert, danach immer mehr reguliert. Doch das ist nicht alles. Vor allem im Dienstleistungssektor erschweren zudem neue nicht-tarifäre Barrieren den Austausch über Grenzen hinweg. Zum Beispiel kommen immer mehr Berufsstandards zur Anwendung, die den globalen Dienstleistungsmarkt auseinanderdividieren. Allein im Dienstleistungssektor Europas gelten 800 verschiedene Berufsstandards; in den USA arbeitet ein Viertel der Beschäftigten unter solchen Standards.[5] Da diese Berufsstandards in den seltensten Fällen gegenseitig anerkannt werden, verhindern sie in vielen Fällen den Export von Dienstleistungen.
Abbildung 3: Wirtschaftliche Handelsfreiheit: Ein Index regulativer Handelshemmnisse
Quelle: Fraser Institute, Economic Freedom of the World Database
Anmerkung: Indexwerte beziehen sich auf die Unterkategorie “Regulatory Trade Barriers” im Gesamtindex. Dazu gehören nicht-tarifäre Handelshemmnisse sowie beim Import und Export anfallende Kosten für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Je höher der Indexwert, desto größer die Handelsfreiheit.
Kasten 2: Immer mehr Protektionismus in der Weltwirtschaft
Der Protektionismus in der Weltwirtschaft nimmt zu. Sowohl Industrie- als auch Schwellenländer haben in den vergangenen zehn Jahren globalen Handel und Wettbewerb zunehmend eingeschränkt. Laut Berechnungen der Initiative Global Trade Alert ergriffen Regierungen in der Zeit zwischen November 2008 und November 2017 weltweit 6756 Maßnahmen, die die Handelsfreiheit einschränken. Gleichzeitig erließen sie zwar auch Maßnahmen zur Liberalisierung des Handels. Die einschränkenden Maßnahmen überwogen jedoch 2:1. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Anhebung wichtiger Zölle oder um Subventionen, die ausländische Unternehmen diskriminieren und den Wettbewerb verzerren.[6] Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf den Güterhandel, im Dienstleistungssektor ist die Situation jedoch ähnlich. Verwiesen sei hier zum Beispiel auf die Digitalisierungspolitik und dortige Versuche, lokale Datenspeicherung durchzusetzen, was einen ernstzunehmenden Eingriff in die digitale Wirtschaft darstellt. So stieg die Zahl von Maßnahmen zur Datenlokalisierung zwischen 1990 und 2016 um das Zehnfache.[7]
Globalisierung schafft neue Geschäftsmöglichkeiten
Es gibt viele Gründe für die beachtliche Expansion des Handels während der Globalisierungsphase, aber ein wichtiger sind natürlich Unternehmen und ihre Geschäftsentwicklung. Ein Ansteigen des Exports bedeutet ja nichts anderes als dass Unternehmen immer mehr an ausländische Kunden verkauft haben.
Wenn der Welthandel zwischen 1980 und 2010 um das 35-fache gestiegen ist, heißt das, dass der Unternehmenssektor seinen Verkauf ins Ausland um das 35-fache gesteigert hat. Wir wollen diese Entwicklung am Beispiel eines Landes, nämlich Schweden, verdeutlichen: Schwedische Firmen erhöhten ihr Exportvolumen von rund 200 Milliarden SEK im Jahr 1980 auf rund 1500 Milliarden SEK im Jahr 2010 [8]. Der Telekomkonzern Ericsson verzeichnete 2010 Exportumsätze in Höhe von 100 Milliarden SEK. Das ist nominal mehr als doppelt so viel wie Ericssons Gesamtumsatz 1990.[9] Damals, also 1990, stand Asien für rund sechs Prozent des Gesamtumsatzes, 2010 waren es 25 Prozent.[10]
In einer Art Gedankenexperiment können wir durchspielen, wie sich Unternehmen entwickelt hätten, wenn die Globalisierung nie stattgefunden hätte. Genau können wir das selbstverständlich nicht wissen, aber ein derartiges kontrafaktisches Szenario hilft uns, die unterschiedlichen Voraussetzungen für Geschäftsmöglichkeiten zu verstehen. Sicher ist: Wenn ein Unternehmen lediglich den einheimischen Markt als Abnehmer hat (im Fall von Ericsson wären das 10 Millionen Schweden), muss es sich anders aufstellen als wenn es Zugang zum Weltmarkt hat. Marktgröße ist ein wichtiger Faktor vor allem für Firmen, die innovative, forschungs- oder kapitalintensive Güter und Dienstleistungen produzieren. Wenn die potentielle Kundenbasis klein ist, muss jede verkaufte Einheit einen größeren Anteil der Entwicklungs- und Produktionskosten hereinholen. Kommen hingegen immer mehr Abnehmer im Ausland hinzu, können Unternehmen diese Kosten auf wesentlich mehr verkaufte Einheiten verteilen.
Wirtschaftswissenschaftler nennen dies die Größenvorteile der Globalisierung, die auf grundlegenden Skaleneffekten beruhen. Von ihnen profitiert der gesamte Unternehmenssektor. Globalisierung erlaubt es Unternehmen, Geschäftsideen zu entwickeln, die davon ausgehen, viele Einheiten an viele verschiedene Kunden verkaufen zu können. Wenn Ericssons Absatzmarkt für Mobiltechnologie auf Schweden begrenzt gewesen wäre, hätte das Unternehmen nie GSM-Technologie oder die Grundlagen der 3G- und 4G- Kommunikation entwickeln können. Das Gleiche gilt für andere Bereiche mit hohen Entwicklungs- und Produktionskosten wie z.B. Fahrzeuge, Chemikalien, Computer, Elektronik, Arzneimittel und ähnliches. Daher überrascht es auch nicht, dass die Expansion des Welthandels während der Globalisierung in erster Linie in genau diesen Sektoren erfolgte.[11]
Vergleicht man die globalisierte Welt mit dem Szenario einer nicht-globalisierten Welt, zeigt sich auch, dass Globalisierung die Voraussetzungen für eine raschere Spezialisierung von Produktion und Unternehmen geschaffen hat. Manche mögen darin einen Nachteil sehen. Denn vorbei sind die Zeiten, in denen ein einziges Unternehmen – häufig im Schutz von Handelsbarrieren – ein Firmenimperium mit einer breiten Produktionspalette aufbauen konnte. Nehmen wir Volvo als Beispiel. Früher produzierte das Unternehmen Lkws, Busse, Autos, Arzneimittel, Getränke und Gefrierkost. Heute ist sogar die Automobilsparte aufgeteilt. Der eine Bereich produziert Pkws, der andere Lkws, Busse und Schwerlastfahrzeuge. Oder schauen wir uns die finnische Nokia an. Noch vor 30 Jahren war der Konzern auf vielen Märkten vertreten – Fernsehgeräte, Haushalt- und Papierwaren, Gummistiefel und Strom – und schickte sich an, den GSM Handgeräte-Markt zu erobern. Heute hat sich Nokia auf Telekommunikationstechnologie spezialisiert.
Kasten 3: 100 Milliarden Einzelteile für die Handy-Produktion
Noch in den späten 1980er-Jahren wurde ein Handy in Europa vom ersten bis zum letzten Teil in einer einzigen Fabrik hergestellt. Heute haben wir es mit einer ganzen Lieferkette zu tun. In der Blütezeit seiner Handyprodukten hantierte Nokia mehr als 100 Milliarden Komponenten pro Jahr. 2006 produzierten Nokia-Fabriken rund 900.000 Handys. Pro Tag verwendeten sie dazu 275 Millionen Einzelteile, die zumeist von spezialisierten Unternehmen in anderen Ländern hergestellt und dann importiert wurden. Laut vorsichtigen Schätzungen überquerten die Hälfte aller Komponenten, die zum Bau eines Handys benötigt wurden, eine Landesgrenze. Diese Entwicklung – von der Herstellung aller Handyteile an einem Ort bis zu einer internationalen Lieferkette mit 100 Milliarden Einzelteilen – symbolisiert die Geschichte der modernen Globalisierung.[12]
Spezialisierung schafft neue Geschäftsmöglichkeiten, denn selbst kleinere Unternehmen können sich auch ohne Kontrolle über die Endverbraucher auf neue Märkte begeben. Spezialisierte Märkte sind in der Regel offener für neue Unternehmen und erlauben es, mit innovativer Technologie und attraktiven Angeboten erfolgreich zu konkurrieren. Eine kleine Firma, die sich auf Motorteile spezialisiert hat, muss kein komplettes Auto produzieren und mit Riesen wie Volkswagen und Toyota in einen Wettbewerb um Endabnehmer treten. Sie kann sich vielmehr all ihre Ressourcen vollständig darauf konzentrieren, ein noch besserer Wettbewerber auf dem Markt der Motorteile zu werden. Als Folge dessen werden auch die eigenen Ressourcen, beispielsweise Personal und Technologieinvestitionen, immer spezialisierter.
Deshalb spiegelt der Anstieg des Welthandels in der Phase der Globalisierung rein funktionell die Fragmentierung großer multinationaler Konzerne in verschiedene Liefer- und Wertschöpfungsketten wider.[13] Große Unternehmen können heutzutage unmöglich all die hochspezialisierten Komponenten, die sie für ihre Endprodukte brauchen, selbst herstellen.[14]
Hätten Unternehmen in einer nicht-globalisierten Welt ausschließlich auf ihren Heimatmärkten operieren können, hätten sie Produkte aus Kostengründen nie so entwickeln können, wie es in den letzten 30 Jahren der Fall war. Sie hätten Fertigungsmethoden wählen müssen, unter denen die Qualität der Produkte vermutlich gelitten hätte. Heute vergisst man gerne, wie viele schlechte, aber teure Produkte es in der Zeit vor der Globalisierung gab. Dies war natürlich kein Zufall, sondern lag daran, dass Unternehmen nur begrenzte Geschäftsmöglichkeiten hatten.
Auch die Arbeiterschaft hat erheblich von den durch die Globalisierung geschaffenen Größenvorteilen und der Spezialisierung profitiert. Generell zeigt sich in der Weltwirtschaft ein deutliches Muster, wonach offene Wirtschaftssysteme für die Erwerbstätigen besser sind als weniger offene (s. Kasten 4). Das liegt auch daran, dass die neu geschaffene Produktion in offenen Volkswirtschaften in höherem Maß von Humankapital abhängig ist. Erwerbstätige mit besserer Ausbildung und besserer Problemlösungskompetenz wiederum haben höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen.
Kasten 4: Erwerbstätige profitieren von neuen Geschäftsmöglichkeiten
Wenn sich die Geschäftsmöglichkeiten in einer Volkswirtschaft verbessern, kommt das auch den Erwerbstätigen zugute. So schaffen Unternehmen, die Handelsvorteile nutzen und ihre Produktion ausbauen und spezialisieren, Arbeitsplätze, die höher qualifiziert und besser bezahlt sind. Diese Vorteile zeigen sich in offenen Wirtschaftssystemen, also solchen, die Handel und Investitionen gegenüber offen sind, deutlicher als in weniger offenen. Nach Angaben der OECD stiegen die Löhne von Arbeitern in der Herstellungsindustrie in offeneren Volkswirtschaften zwischen 1970 und 2000 um das drei- bis neunfache verglichen mit denen von Arbeitern in weniger offenen Systemen. In den USA zum Beispiel liegen die Löhne in Exportunternehmen um fast zehn Prozent über denen in Nicht-Exportunternehmen.[15] In Chile, ebenfalls eine entwickelte Volkswirtschaft, ist dieser Unterschied noch deutlicher. Ein Arbeiter in einem Exportsektor verdient 25 Prozent mehr als andere Arbeiter.
Nach Auswertung führender Forschungsstudien kommt die OECD zu dem Schlusssatz, dass Handel die Löhne in die Höhe treibt. Auch wenn Outsourcing und Offshoring von Produktionsschritten zum Verlust von Arbeitsplätzen führen kann, steigen insgesamt Löhne und Gesamtbeschäftigung. Dies ist leicht zu erklären. Durch Handel nutzen Volkswirtschaften ihre Humanressourcen besser. Wenn Teile der Produktion ausgelagert werden, können Unternehmen spezialisieren und mehr in ihr Humankapital investieren. Bei der Globalisierung ging es unter anderem darum, Arbeitskraft angemessen einzusetzen: In entwickelten Volkswirtschaften steigt der Anteil der Erwerbstätigen, die in Sektoren mit hoher Wertschöpfung tätig sind, kontinuierlich. So werden Ressourcen besser genutzt und für alternative Verwendungsmöglichkeiten freigegeben. Offene Volkswirtschaften stehen denn auch, wenig verwunderlich, wesentlich besser da als weniger offene in Fragen von Arbeitnehmerrechten, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, der Anzahl tödlicher Unfälle und Lebenserwartung.[16] Die neu geschaffenen Arbeitsplätze sind nicht nur besser bezahlt, sondern auch sicherer und häufig stimulierender.
Kasten 5: Globalisierung und Gleichstellung
Die Gleichstellung der Geschlechter hat in den letzten 50 Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Auch wenn in vielen Ländern die Diskriminierung von Frauen nach wie vor ein großes Problem ist, so hat die Globalisierung dazu beigetragen, Frauen neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen, geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu verringern und die Bevorzugung von Männern insgesamt auch wirtschaftlich zu erschweren. Als Beispiele seien hier Unternehmerinnen in armen Regionen genannt, denen früher aus unterschiedlichen Gründen der Zugang zum formalen Finanzsektor und damit zu Krediten und Bezahlsystemen verschlossen war. Internet- und Mobiltechnologien, die anderswo auf der Welt entwickelt wurden, ermöglichen es ihnen jetzt, Finanzdienstleitungen zu nutzen und Zahlungen zu erhalten. Mithilfe globaler Online-Plattformen können sie Kunden erreichen, die ihnen zuvor nicht zugänglich waren. Viele wissen, dass zum Beispiel Alibaba eine der größten e-Handels-Plattformen der Welt ist. Ihre Umsätze übersteigen die von Amazon und eBay zusammen. Weniger bekannt ist hingegen, dass das Erfolgsgeheimnis von Alibaba darin liegt, kleine Unternehmen mit neuen Kunden in Kontakt zu bringen. Hinter dem Markennamen Alibaba verbergen sich B2B- und B2C-Handelsplätze für kleine Produzenten, darunter viele Frauen, die ansonsten nicht die Ressourcen und die notwendige Größe hätten, um Kunden zu erreichen.
Auch in entwickelten Volkswirtschaften hat die Globalisierung ähnliche Möglichkeiten geschaffen. Studien zeigen zudem, dass die Konkurrenzsituation, die Handel oft mit sich bringt, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen reduziert. Diskriminierung ist kostspielig, weil Ressourcen ineffektiv genutzt werden. Unternehmen setzen ihr Humankapital nicht so ein, dass sie wettbewerbsfähiger werden. Nimmt die Konkurrenz zu, kommt es diskriminierende Unternehmen immer teurer zu stehen, wenn sie weiterhin Männern zu viel und Frauen zu wenig zahlen. Deshalb verringert neue Importkonkurrenz in der Regel die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede. Laut einer Studie, die die Lohnentwicklung im Produktionssektor der USA untersucht, war die Lohndiskriminierung von Frauen in konzentrierten Sektoren – also dort, wo ein einzelnes Unternehmen dank seiner Marktmacht die Preise bestimmen kann – größer als in wettbewerbsintensiven Sektoren. Wenn sich in den konzentrierten Sektoren die Handelskonkurrenz verstärkte, sanken die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede.[17]
Globalisierung senkt Verbraucherpreise
Mindestens genauso wichtig ist, dass die durch Globalisierung geschaffenen, neuen Geschäftsmöglichkeiten letztendlich zu niedrigeren Verbraucherpreisen geführt haben. Deutlich billigere Konsumgüter und ein radikal verbesserter Lebensstandard sind wohl für die meisten Menschen die sichtbarsten Folgen der Globalisierung. Haushalte in den westlichen Volkswirtschaften haben heute einen völlig anderen Lebensstandard als noch vor wenigen Jahrzehnten – und dies größtenteils dank des Anstiegs des freien Welthandels.
Selbst unter Globalisierungsgegnern ist dies unumstritten. Auch sie räumen ein, dass Gebrauchsgüter heute billiger und besser sind als jemals zuvor. In der ökonomischen Fachterminologie spricht man hierbei davon, dass Globalisierung in den letzten 30 Jahren erheblich zur Disinflation beigetragen hat.[18]
In den 1970er- und 80er-Jahren verzeichneten die meisten westlichen Länder hohe Inflationsraten. Löhne und Gehälter stiegen wesentlich schneller als heute. Allerdings führte dies nicht zu einer Verbesserung des Lebensstandards, denn die Inflation fraß die Gehaltserhöhungen auf.[19] Inflationsbereinigt stagnierten Löhne und Gehälter über einen längeren Zeitraum oder stiegen langsam. Die Globalisierung und der mit ihr einhergehende Wettbewerb in der westlichen Welt halfen, die Inflation zu senken und das Realeinkommen zu erhöhen.[20] Und, kaum überraschend, stieg das Einkommen in offeneren westlichen Volkswirtschaften schneller als in weniger offenen.[21]
Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der realen Stundenlöhne in der Fertigungsindustrie in vier europäischen Ländern (Frankreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien) von 1970 bis zum Start der Finanzkrise 2007[22]. Allen vier Staaten ist gemeinsam, dass sie Phasen durchlebten, in denen die Reallöhne inflationsbedingt nur gering stiegen. Ansonsten aber unterscheiden sie sich deutlich. Britische und französische Arbeiter zum Beispiel konnten ihre Realstundenlöhne zwischen 1970 und 2007 mehr als verdoppeln. Für schwedische Arbeiter verbesserte sich die Situation erst Mitte der 1990-er Jahre, nachdem das Land zwei Jahrzehnte mit hoher Inflation und makroökonomischen Problemen durchlebt hatte. Zwischen Mitte der 1970er-Jahre und Mitte der 1990er-Jahre stiegen die Realstundenlöhne schwedischer Arbeiter überhaupt nicht. In Frankreich hingegen gingen sie von Ende der 1960er- bis Anfang der 1980er-Jahre deutlich nach oben. Danach flachte der Anstieg ab. Deutschland wiederum, das seine Inflation immer strikt überwacht hat, erlebte einen ziemlich konstanten Anstieg der Reallöhne. Mitte der 80er-Jahre war dieser jedoch höher als in den 90er- und in den vergangenen Jahren. Großbritannien seinerseits sah einen raschen Anstieg Anfang der 80er-Jahre und ist insgesamt das Land, in dem die Realeinkommen in unserer Vergleichsgruppe am schnellsten gestiegen sind.
Abbildung 4: Index der Realstundenlöhne in der Fertigungsindustrie (1969=100, Schweden 1971)
Quelle: OECD, Labour and Price database.
Der Anstieg der Realeinkommen bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass Verbraucher heute mehr für ihr Geld bekommen. Bei vielen typischen Haushaltprodukten sind die Preise in der Phase der Globalisierung nicht nur langsamer gestiegen, sondern gesunken, während die Qualität gleichzeitig gestiegen ist. Schauen wir uns die USA an: Dort musste ein Verbraucher 1980 zum Beispiel beim Einzelhändler Sears 399,95 US-Dollar für eine Mikrowelle mit rund 35 l Volumen bezahlen. Heute kann er das gleiche Gerät für 57,13 US-Dollar bei Walmart erstehen.[23] Die heutige Mikrowelle hat zudem einen höheren Standard und wesentlich mehr Funktionen, gleichzeitig ist ihr Preis nominal um 85 Prozent gesunken. Der durchschnittliche US-Erwerbstätige muss heute also kürzer arbeiten, um sich eine Mikrowelle leisten zu können. Bedurfte es 1980 noch 61 Arbeitsstunden, so reichen heute drei. Dasselbe gilt für andere Produkte, die heute größerer Konkurrenz ausgesetzt sind. Ein Durchschnittsverdiener in den USA musste 1984 für den Kauf eines Mobiltelefons noch 465 Stunden arbeiten, heute genügen vier Stunden.
Güter, die 1980 noch als Luxusprodukte galten und die sich nur wenige leisten konnten, finden sich heute in fast jedem US-Haushalt. Nachdem einkommensschwache Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens für Haushaltsgüter ausgeben, haben sie von dieser Entwicklung eher profitiert als einkommensstarke Haushalte.[24] Eine Studie zeigt, dass die Inflation für US-Haushalte mit geringem Einkommen zwischen 1994 und 2005 sechs Prozentpunkte niedriger war als die für Haushalte mit sehr hohem Einkommen.[25]
Kasten 6: Die Armen profitieren vom Handel
Eine wichtige Lehre aus den letzten Jahrhunderten, in denen wir ein stetiges Anwachsen des Handels erleben konnten, ist, dass die Verteilungseffekte von Handel sehr stark sind, wenn man Ausgaben- und Konsummuster miteinbezieht. Haushalte und Personen, die über ein relativ niedriges Einkommen verfügen, geben in der Regel einen größeren Anteil ihres Einkommens für lebensnotwendige Produkte wie Lebensmittel und Kleidung aus. Einer Studie zufolge gilt für den internationalen Handel in allen Ländern ein „pro-poor bias“, d.h. Arme profitieren mehr als andere. Im Durchschnitt hatten die zehn Prozent der Bevölkerung mit dem geringsten Einkommen durch die Öffnung ihres Landes Zugewinne von 63 Prozent, die zehn Prozent mit den höchsten Einkommen Zugewinne von 28 Prozent. Je niedriger das Einkommen, desto höher also der Zugewinn.[26]
Dass eine Mikrowelle in den USA (und anderswo) so viel billiger geworden ist, hat nicht nur mit der Expansion des Welthandels zu tun.[27] Auch neue Technologien und veränderte Transportkosten haben erheblich dazu beigetragen, Produktionskosten zu senken und Handel zu ermöglichen. Die durch die Globalisierung beschleunigte Spezialisierung führte insgesamt zu einer effektiveren Ressourcennutzung und neuen Nachfragemustern, die ihrerseits Waren verbilligen. Die Zunahme von Handel und Investitionen waren jedoch Schlüsselfaktoren bei der Preisentwicklung. Daher stellt sich die Frage: In welchem Umfang ist der höhere Lebensstandard, den westliche Haushalte im Zeitalter der Globalisierung erlebten, eine Folge des gestiegenen Welthandels?
Leider lassen sich volkswirtschaftliche Vorgänge nicht im Labor ausprobieren. Daher lässt sich auch schlecht untersuchen, was geschehen wäre, wenn gewisse Faktoren anders gewesen wären. Dennoch wollen wir noch einmal ein Gedankenexperiment wagen und der Frage nachgehen, wie sich der Preis einer Ware entwickelt hätte, wenn sie nicht internationalem Handel und Wettbewerb ausgesetzt gewesen wäre.
Tabelle 1 gibt eine Antwort auf diese Frage und stellt exemplarisch dar, in welchem Umfang die Globalisierung den Preis für ein durchschnittliches Haushaltsprodukt gesenkt hat.[28] Wir haben dabei einen hypothetischen Preis für ausgewählte Waren berechnet. Es handelt sich dabei um den Preis, den das jeweilige Produkt hätte, wenn sein Preis von 1970 bis 2005 der allgemeinen Entwicklung der Verbraucherpreise im jeweiligen Land gefolgt wäre. Wie in der ersten Spalte zu sehen ist, unterscheidet sich der tatsächliche Preis 2005 markant vom hypothetischen Preis. Dieser ist nämlich deutlich höher als der tatsächliche Preis. Besonders groß ist der Unterschied bei Produkten wie Kühlschränken, Wasch- und Nähmaschinen. Für den Kauf solcher „dauerhaften“ Konsumgüter mussten Haushalte noch vor 40 Jahren oft Kredite aufnehmen. Heutzutage müssen sich die wenigsten Haushalte im Westen Geld für den Kauf eines Staubsaugers leihen, 1970 war das hingegen noch bei den meisten der Fall.
In einem deutschen Haushalt der 1960er-Jahre war eine Nähmaschine keine Selbstverständlichkeit. Sie wäre es wahrscheinlich auch nie geworden, wenn ihr Preis inländischen und nicht internationalen Bedingungen gefolgt wäre. Dann nämlich wäre eine Nähmaschine in Deutschland heute sieben Mal teurer. Derartige Preisentwicklungen haben sich in bemerkenswertem Umfang auf Verbraucher und ihr Realeinkommen ausgewirkt. Heutzutage bekommen Konsumenten einfach wesentlich mehr für ihr Geld.
Auch Wahlmöglichkeit und Produktvielfalt haben sich verbessert, was ebenfalls deutliche wirtschaftliche Vorteile zur Folge hat.[29] Laut einer Studie verdoppelte sich die Anzahl der Güter in den USA von 8.000 im Jahr 1972 auf 16.000 im Jahr 2001. Gleichzeitig stieg die Durchschnittszahl der Länder, aus denen die jeweilige Ware importiert wurde, von sechs auf zwölf. Diese größere Produktvielfalt allein erhöhte den Wohlstand in den USA um geschätzt 2,6 Prozent.[30]
Schließlich lässt sich feststellen, dass der Einkommenseffekt durch Disinflation in westlichen Volkswirtschaften insgesamt stark war, mitunter sogar stärker als der Effekt, den die Erhöhung der Nominallöhne hatte.[31] Der internationale Handel ließ Importpreise für Verbraucher und Unternehmen, die Komponenten für die eigene Produktion im Ausland kaufen, sinken. Firmen, die verschärftem Wettbewerb mit internationalen Unternehmen ausgesetzt sind, müssen immer neue Wege finden, die Kosten ihrer Produkte zu reduzieren, wovon wiederum die Verbraucher profitieren.[32] Die Globalisierung zwingt Unternehmen zudem zu ständiger Effektivitätssteigerung. Hoch-effiziente Betriebe verdrängen weniger effiziente.[33] Diese Dynamik wollen wir uns im nächsten Abschnitt genauer anschauen.
Globalisierung steigert die Produktivität
Das Thema „wirtschaftliche Effizienz“ mag trocken klingen, doch die Kräfte, die dabei wirksam sind, sind alles andere als uninteressant. Der Ökonom John Maynard Keynes bezeichnete einst völlig zurecht die „animal spirits“ im unternehmerischen Wettbewerb als den sichersten Weg, das Wohlstandspotential einer Gesellschaft zu verbessern. Um auf dem Markt erfolgreich bestehen und den Kunden mehr fürs Geld bieten zu können, müssen Unternehmen kontinuierlich effektiver und produktiver arbeiten. Wenn Volkswirtschaften ihre Effizienz erhöhen und Ressourcen wie Kapital und Arbeit besser nutzen, steigt die Produktivität. Damit Wirtschaften und das Bruttoinlandsprodukt per Capita nachhaltig wachsen, sind Produktivitätssteigerungen unerlässlich. Der Anstieg der Produktivität bestimmt letztendlich darüber, in welchem Tempo sich der Wohlstand einer Gesellschaft entwickelt.
Die Globalisierung hat die Produktivität in den westlichen Volkswirtschaften über einen langen Zeitraum ansteigen lassen, auch wenn dieser Zusammenhang vor allem in jüngster Zeit nicht immer auf den ersten Blick deutlich ist.[34] Verschiedene Faktoren, von denen internationaler Handel und Auslandsinvestitionen nur zwei sind, bestimmen den Produktivitätszuwachs. Seit einigen Jahren lässt sich in Europa und Nordamerika eine langsame Abnahme dieses Zuwachses beobachten. Die Entwicklung des Handels allgemein mag eine Erklärung dafür sein. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass streng geregelte Arbeitsmärkte und ein eingeschränkter Handel mit Dienstleistungen die Hauptursachen sind.[35] So ist zum Beispiel der Produktivitätszuwachs im Handelssektor nach wie vor deutlich höher als in Sektoren mit nicht-handelbaren Gütern.[36]
Die Globalisierung trug zum Produktivitätswachstum bei, indem Handel und Investitionen neue Geschäftsmöglichkeiten schafften. Skaleneffekte und Spezialisierung führten zu einer deutlich besseren Nutzung von Ressourcen. Als Folge dessen ist auch der Standardindikator für Produktivität, nämlich die Arbeitsproduktivität, gestiegen.[37] Unternehmen arbeiten mit fragmentierten Wertschöpfungsketten und die billigere Einfuhr von Inputs treibt die Produktivität in die Höhe.[38] Es lässt sich nicht exakt messen, wie groß der Anteil der Globalisierung am Produktivitätszuwachs im Westen ist. Zahlreiche Studien haben diese Beziehung zwar empirisch bewiesen, allerdings sind die Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und verschiedenen Zeiträumen sehr groß. Dies hat mit handels- und nicht-handelsbezogenen Faktoren zu tun wie z.B. dem Grad an Handelsfreiheit, der Größe des Handelssektors und der Flexibilität des Arbeitsmarkts.[39] Bekannt ist auch, dass die durch die Globalisierung hervorgerufene Produktvielfalt die Produktivität verbessert hat. Dieser Faktor allein ist für die Jahre 1994 bis 2004 geschätzt für 15 Prozent des gesamten Produktivitätszuwachses verantwortlich.[40]
Tabelle 1: Reale und hypothetische Preise 1970 und 2005
Quellen: Statistiska Centralbyrån, European Central Bank, Eurostat, OECD, statistische Zentralämter in Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
Einen Faktor, der im Zusammenspiel von Globalisierung und Produktivität sehr wichtig ist, haben wir bislang noch nicht behandelt. Es ist die Frage, in welchem Maß Handel zu einer schnelleren Verbreitung von Technologie und Innovationen beiträgt. Man denke nur daran, wie schnell das Smartphone in vielen Teil der Welt zu einem wichtigen Teil des Alltags wurde, und stelle sich vor, wie diese Entwicklung ohne Globalisierung verlaufen wäre. Das Telefon benötigte nach seinem Markteintritt 75 Jahre, um eine Million Anwender zu verzeichnen. Das Radio brauchte dazu 38 Jahre und der Fernseher schließlich nur mehr halb so lange wie das Radio. Das Internet wiederum erreichte innerhalb von vier Jahren 50 Millionen User. Es gibt viele Gründe für die immer schnellere Verbreitung von neuen Waren und Dienstleistungen, aber grenzüberschreitender Handel ist eindeutig einer der wichtigsten.
Durch die raschere Verbreitung von neuen Technologien erhalten Unternehmen und Verbraucher letztendlich immer schneller Zugang zu besseren Produktionsmethoden und Produkten. Wenn Verbrauchern nur die Technologie zur Verfügung stünde, die auf dem jeweils einheimischen Markt entwickelt wurde, so wäre der technische Standard und erst recht der Lebensstandard geringer als heute. Denn die Technologie, die in einem Industrieland verwendet wird, wurde in der Regel in einem anderen Staat entwickelt. Ohne ausländische Technologie müsste ein Arbeiter in den USA wohl immer noch – so wie es 1984 der Fall war – 465 Stunden arbeiten, um sich ein Mobiltelefon leisten zu können – und nicht vier Stunden wie heute.[41]
Kasten 7: Wie die Wirtschaft durch Handel grüner wird)
Oft wird behauptet, dass internationaler Handel durch die beim Gütertransport anfallenden Kohlenstoffemissionen die Umwelt verschmutze. Deshalb sei es wesentlich besser, lokale Produkte zu kaufen. Tatsächlich verursacht Handel Kohlenstoffemissionen – und das nicht nur durch Warentransporte, sondern auch durch den Anstieg von Output und Wirtschaftswachstum. Doch die Alternative wäre kaum besser. Selbst wenn Menschen in Europa aus vielen Gründen gerne regional produzierte Lebensmittel kaufen, führt das nicht notwendigerweise zu einer Verringerung des Kohlenstoffausstoßes. Was die Emissionen anbelangt, so ist es natürlich besser, im Herbst direkt nach der Ernte europäische Äpfel zu kaufen als Äpfel aus Übersee. Aber ein Großteil der Lebensmittel, die wir in Europa konsumieren, verursachen allein bei der Produktion mehr Emissionen als Lebensmittel aus der südlichen Hemisphäre bei Produktion und Transport zusammen. Die zur Lebensmittelproduktion in Europa notwendige Energie verursacht wesentlich höhere Kohlenstoffemissionen als der Transport. Es senkt also den Kohlenstoffausstoß, wenn wir Schnittblumen aus Kenia und nicht aus Holland, Brokkoli aus Südamerika und nicht aus Kontinentaleuropa kaufen[42].
Handel hilft uns demnach, mit Naturressourcen zu haushalten. Und, was mindestens genauso wichtig ist, er verhilft Ländern, Unternehmen und Menschen Zugang zu modernen Technologien, die den Energieverbrauch und die Schadstoffemissionen reduzieren. Stellen Sie sich einmal vor, jedes europäisches Land müsste seine Klima- und nachhaltigen Entwicklungsziele ohne Zugang zu ausländischer Technik erreichen. Eine solche Strategie der geschlossenen Grenzen wäre unbezahlbar. Jedes Land stünde mit unzulänglicher Technologie da. Solarzellen und Windkraftwerke gäbe es nur in einigen wenigen Staaten und Elektroautos wären ein Luxus für die Reichen. Internationaler Handel treibt den Technologietransfer an. Ohne Handel gäbe es keine Erfolge bei der Ökologisierung der Wirtschaft – weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft.
In jedem Land wirkt sich Globalisierung direkt und indirekt auf die technologische Kapazität und die Intensität, mit der diese Technologie genutzt wird, aus. Auf der Makroebene verbessern internationaler Handel und Investitionen das Produktivitätswachstum. Sie führen Volkswirtschaften näher an die Spitzenreiter in diesem Bereich, also an die fortschrittlichsten Technologienutzer, heran. Dies geschieht auf unterschiedliche Art und Weise. Zum einen haben Länder die Möglichkeit, Technologien, die sie selbst nicht produzieren können oder deren Nachahmung zu ressourcenintensiv wäre, zu importieren. Zum anderen treiben Investitionen multinationaler Konzerne in der Regel die Produktivität in den Sektoren, in denen sie tätig sind, in die Höhe. Früher ging man davon aus, dass diese direkten Globalisierungseffekte vor allem in den Beziehungen zwischen Ländern mit relevanten Unterschieden in der Technologieentwicklung – z.B. im Nord-Süd-Handel – zum Tragen kommen. Neuere Forschung zeigt jedoch, dass sie auch im Austausch zwischen Industrienationen wichtig sind. Intra-industrieller Handel[43] zum Beispiel führt bekanntermaßen zu sehr starker Technologieverbreitung, da die importierenden Länder bereits auf die Anwendung der neuen Technologie vorbereitet sind.[44] Globale Liefer- und Wertschöpfungsketten beschleunigen darüber hinaus die Verbreitung neuer Ideen, Technologien und Produktionsmethoden, da die Netzwerkspartner bei der Technologieentwicklung häufig zusammenarbeiten.[45]
Handel und Investitionen fördern auch die Technologieentwicklung in einzelnen Bereichen und ganzen Volkswirtschaften, indem sie etablierte Unternehmen zu stärkerem Wettbewerb zwingen. In offenen Volkswirtschaften, die ausländische Exporteure und Investoren anlocken, verdrängen effiziente Unternehmen in der Regel ineffiziente. So sind in Europa und Nordamerika die Unterschiede bei Produktivität und Technologie innerhalb eines Sektors in einem Land meistens größer als die Unterschiede zwischen diesen Sektoren in verschiedenen Ländern. So unterscheidet sich zum Beispiel die Produktivität von verschiedenen Unternehmen innerhalb des Herstellungssektors in den USA mehr voneinander als die eines durchschnittlichen US-Unternehmens und eines durchschnittlichen europäischen Unternehmens im selben Sektor. In den USA sind die obersten zehn Prozent der Unternehmen doppelt so produktiv wie die untersten zehn Prozent[46]; in Europa ist das oberste Zehntel sogar drei Mal so produktiv wie das unterste[47].
Handel und Investitionen – das ist zu betonen – vermindern den Unterschied zwischen produktiven und weniger produktiven Unternehmen. Erwartungsgemäß liegen offene Volkswirtschaften näher an der Produktivitätsgrenze und weisen eine geringere Produktivitätslücke auf als weniger offene Länder.[48] Aufgrund der schärferen Konkurrenz können wenig produktive Unternehmen in offenen Volkswirtschaften schwerer bestehen. Auch sind in offenen Systemen ausländische Unternehmen und ausländische Direktinvestitionen präsenter, was sich in der Regel positiv auf das Produktivitätsniveau auswirkt. Zudem nehmen offene Volkswirtschaften häufiger an Produktionsnetzwerken teil und haben bei Technologie und Innovation mehr Spitzenunternehmen. Schließlich stehen diese Länder auch unter größerem Druck, sich ständig weiter zu entwickeln.
Kasten 8: Handel bringt Technologie und Innovation voran
Handel zwingt Unternehmen nachweislich dazu, konkurrenzfähig zu bleiben und neue Technologien zu verwenden. Dieser Effekt allein beeinflusst eine Volkswirtschaft stark und in eine positive Richtung. Wirtschaftswissenschaftler haben eine halbe Million Unternehmen in zwölf europäischen Ländern untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Handel mit einem einzigen Land, China, ganz erheblich zur Verbesserung der Wirtschaftslage in Europa beigetragen hat. Importe aus China zwangen europäische Firmen dazu, mehr in Forschung und Entwicklung sowie Informationstechnologie zu investieren. Als Folge dessen stieg die Produktivität dieser Unternehmen. Mindestens genauso wichtig ist, dass internationaler Handel positiv zu einer Neuverteilung von Arbeit in Europa beigetragen hat – von ineffizienten hin zu effizienten Unternehmen. Zwischen 2000 und 2007 war allein der intensivere Handel mit China Anlass für 15 Prozent aller technologischen Neuerungen in den betreffenden Unternehmen.[49]
Globalisierung wirkt sich aber auch indirekt auf Technologie und Produktivität aus. Hierbei spricht man von so genannten „spillover“(Überlauf)-Effekten auf den Rest der Wirtschaft. Sie sind in der Regel sehr wichtig und treten zum Beispiel auf, wenn Unternehmen ausländische Firmen, die sich in ihrem Land etabliert haben, nachahmen. Kompetitive multinationale Unternehmen zwingen normalerweise einheimische Firmen dazu, bessere Leistung zu erbringen.[50] Die Multis führen neue Technologien und Produktionsmethoden ein, die andere übernehmen können. Auch wird die Managementkompetenz multinationaler Firmen an die einheimische Wirtschaft weitergegeben, indem Personal zwischen ihnen wechselt.[51] Laut Schätzungen lassen sich auf diesen Faktor allein 15 Prozent des Produktivitätsanstiegs in US-amerikanischen Firmen in der Zeit von 1987 bis 1996 zurückführen.[52]
Für die meisten westlichen Volkswirtschaften besteht die wichtigste wirtschaftliche Aufgabe heutzutage darin, die Lücke zwischen den Spitzenreitern der Produktivitätsentwicklung und dem Rest zu schließen. Was das Produktivitätswachstum – und dessen Abflachen – in wohlhabenden Gesellschaften so bemerkenswert macht, ist, dass die Produktivitätsunterschiede innerhalb eines Sektors in einem Land größer sind als die zwischen denselben Sektoren in verschiedenen Ländern. Dies lässt sich in erster Linie mit dem Ausmaß erklären, in dem ein Unternehmen internationalem Handel ausgesetzt ist: Firmen mit geringer Produktivität stehen in der Regel relativ weit außerhalb des Globalisierungsprozesses.[53] Sie konkurrieren weniger international, beschäftigen weniger Manager mit internationaler Erfahrung und ahmen hoch-produktive Unternehmen langsamer nach. Auch sind sie nicht sehr gut darin, hoch ausgebildetes Humankapital anzulocken.
Die Globalisierung ist in vielerlei Hinsicht ein Lernprozess für Unternehmen: Sie müssen schrittweise herausfinden, wie sie ihre Produkte und ihre Produktion verbessern können. Diese Erfahrungen führen dann zu einer Verbesserung der Arbeitsqualität und der Effizienz, mit der Investoren und Unternehmen operieren.
[1] Für die Zeit vor 1980 liegen keine Daten über FDI-Zuflüsse vor.
[2] Daten aus der Datenbank der Weltbank.
[3] Arto et al., 2015.
[4] https://www.ekonomifakta.se/Artiklar/2014/Mars/Har-finns-13-miljoner-jobb/
[5] Vetter, 2013.
[6] Daten dazu sind auf der Webseite von Global Trade Alert zu finden – www.globaltradealert.org
[7] Daten stammen aus der Digital Trade Estimate Database – https://ecipe.org/dte/database/
[8] Daten von Statistiska Centralbyrån (SCB), dem Statistischen Zentralamt Schwedens.
[9] Es gibt keine vergleichbaren Daten über die Exportumsätze von Ericsson über den entsprechenden Zeitraum. Die Angaben für 2010 stammen aus Ericssons Jahresbericht 2011, die Angaben für 1990 aus dem Jahresbericht 1991.
[10] Ebd.
[11] Daten zum Wachstum des Welthandels in den verschiedenen Sektoren stammen aus der statistischen Datenbank der World Trade Organisation.
[12] Reinhardt, 2006.
[13] Baldwin, 2016; Lanz & Mirodout, 2011.
[14] Antrás & Yeaple, 2013; Andrews et al., 2015.
[15] Bernard et al., 2007.
[16] OECD, 2012.
[17] Black & Brainerd, 2004.
[18] Hobijn & Mayer, 2009.
[19] Auer et al., 2017.
[20] Rogoff, 2003a und 2003b.
[21] Pain & Koske, 2007. OECD, 2012.
[22] Die Nominallöhne wurden dabei an den Verbraucherpreisindex jeden Landes angepasst, um den Einkommenszuwachs, der über den jährlichen Preisanstieg eines Korbs grundlegender Konsumgüter und Dienstleistungen hinausgeht, zu veranschaulichen.
[23] Die Angaben für dieses Beispiel stammen vom U.S. Bureau of Labor Statistics.
[24] Cox & Alm, 2008.
[25] Broda & Romalis, 2009a.
[26] Fajgelbaum & Khandelwal, 2016.
[27] Cavelaars, 2003.
[28] Folgende Methode wurde verwendet: 1) Wir haben einige typische Haushaltswaren ausgesucht, bei denen sich Produktionsort und internationale Handelswege im betreffenden Zeitraum deutlich verändert haben. 2) Wir haben die tatsächlichen Preise dieser Produkte für die Jahre 1970 und 2005 gesammelt, und zwar für Frankreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien. Die Preise von 1970 richten sich nach Erixon & Lewander, 2005, die die realen Preise für Produkte in Schweden untersuchten. Die realen Preise für ähnliche Produkte im Jahr 2005 wurden für jedes Land einzeln zusammengestellt. Bei den Produkten 2005 haben wir Waren mit etwas besserem „Standard“ als 1970 gewählt. Auf dieser Weise wollten wir eine Überbewertung des Preis-Effekts verhindern. Hätten wir zum Beispiel für 2005 bei Herrenanzügen ein Modell der Billig-Kette Hennes & Mauritz genommen, wäre der Effekt noch größer gewesen. 3) Der Nominalpreis 1970 ist der Ausgangspunkt für ein alternatives Szenario, das untersucht, wie sich der Preis bis 2005 entwickelt hätte, wenn er dem Verbraucherpreisindex gefolgt wäre. Der hypothetische Preis spiegelt also die inländischen Preisverhältnisse wider und nicht die internationalen (durch Handel). Der Verbraucherpreisindex gibt nicht nur Aufschluss über die Preisentwicklung im Land, sondern ist in unserem Fall auch ein besserer Preisindex als der BIP-Deflator oder der Herstellerpreisindex. Wir haben den Verbraucherpreisindex (VPI) angepasst und um die Importe bereinigt. Dabei wurde der jährliche Standard-VPI um den jährlichen, von der OECD veröffentlichten Wertindex für die Importe der einzelnen Länder und damit um die Importdurchdringung bereinigt. 4) Anschließend vergleichen wir den realen Preis 2005 mit dem hypothetischen Preis 2005.
[29] Blonigen und Soderbery, 2010.
[30] Broda und Weinstein, 2006.
[31] Phasenweise stieg die Ungleichheit der Einkommen in den westlichen Ländern, die Ungleichheit im Konsumverhalten (wenn man den Lebensstandard um Preise und Konsummuster bereinigt) aber nicht. Siehe dazu Broda und Romalis, 2009b.
[32] Chen et al., 2004.
[33] Feenstra, 2006.
[34] Baldwin, 2016.
[35] Pain und Koske, 2007; Gordon, 2015; OECD, 2015.
[36] Cette et al., 2016.
[37] OECD, 2015; Yahmed und Dogherty, 2017.
[38] Grossman und Rossi-Hansberg, 2006.
[39] Für einen Forschungsüberblick s. OECD, 2015, und Mallick, 2013.
[40] Broda et al., 2006.
[41] Mit Mobiltelefon ist nicht notwendigerweise ein Smartphone gemeint. Für den Erwerb eines Smartphones müsste ein Arbeiter in den USA mehr als vier Stunden arbeiten.
[42] Kommerskollegium, 2012.
[43] Von intra-industriellem Handel spricht man, wenn zwei Länder Handel mit Gütern ein und derselben Produktkategorie betreiben. Er findet häufiger zwischen hoch-industrialisierten Ländern statt als zwischen Ländern mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstandards.
[44] Hakura & Jaumotte, 1999.
[45] Baldwin, 2016; Ferrier et al., 2016.
[46] Syversen, 2004.
[47] Lopez-Garcia et al., 2015.
[48] Baldwin & Forslid, 2010.
[49] Bloom et al., 2011.
[50] OECD, 2015.
[51] Bloom & van Reenen, 2011.
[52] Keller & Yeaple, 2009.
[53] OECD, 2012 und 2015; Cette et al., 2016.
Schlussfolgerungen
Der Begriff Globalisierung lässt viele Interpretationen zu. Für manche ist es ein Sammelbegriff für all das, was sich ihrer Meinung nach in der heutigen Gesellschaft falsch entwickelt. Im Grunde genommen bedeutet Globalisierung jedoch, dass Handel, ausländische Direktinvestitionen und andere Formen grenzüberschreitenden Austauschs in nationalen Volkswirtschaften eine immer größere Rolle spielen. In den meisten Gesellschaften ist Globalisierung deshalb einer der Faktoren, die über den Output des Landes entscheiden. Die Phase der Globalisierung von 1980 bis 2010 war in diesem Kontext außerordentlich positiv für die Volkswirtschaften der westlichen Länder. In einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit brachte sie wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbesserungen mit sich.
- Die Globalisierung hat neue Möglichkeiten für Unternehmen geschaffen, R&D-, kapital- und innovationsintensivere Geschäftsmodelle und Angebote zu entwickeln. Viele Produkte und Dienstleistungen, die in den letzten Jahrzehnten auf den Markt gekommen sind, zeichnen sich genau dadurch aus. Ohne Globalisierung hätten Unternehmen mit wesentlich geringeren Verkaufsvolumen arbeiten müssen. Firmen konnten sich zudem zunehmend spezialisieren. Als Folge dessen ist das Humankapital erheblich besser und der Anteil an qualifizierten Arbeitsplätzen deutlich höher geworden. Noch nie gab es in den Industrieländern so viele besser-bezahlte und höher-qualifizierte Arbeitsplätze wie heute.
- Die Globalisierung hat die Reallöhne der Menschen in den westlichen Volkswirtschaften erhöht. Produkte wurden entweder billiger oder ihr Preisanstieg flachte ab. Wenn die Preisentwicklung bei typischen Haushaltswaren inländischen und nicht internationalen Mustern gefolgt wäre, dann wären Verbraucher heute ärmer und die Produkte von schlechterer Qualität.
- Die Globalisierung hat erheblich zum Produktivitätswachstum beigetragen und somit den Lebensstandard weiter verbessert. Auch war Globalisierung besonders wichtig, wenn es darum ging, neue Technologien über Ländergrenzen hinweg schnell zu verbreiten. Langfristig bestimmt die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts darüber, wie rasch eine Gesellschaft wohlhabender wird.
Allerdings wachsen Handel und Investitionen im Moment nicht mehr so schnell wie früher. Vieles deutet darauf hin, dass dies eine der Hauptursachen für die fehlende Dynamik der westlichen Volkswirtschaften ist. Während manche den Rückgang der Globalisierung begrüßen, sollten diejenigen, denen der Wohlstand einer Gesellschaft am Herzen liegt, diese Entwicklung bedauern und sich darum bemühen, dass die Weltwirtschaft wieder zu ihren früheren hohen Wachstumsraten im Handel zurückfindet.
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