Europas Streben nach Technologiesouveränität: Chancen und Risiken für Deutschland und die Europäische Union
Published By: Matthias Bauer Fredrik Erixon
Subjects: Digital Economy EU Single Market European Union Services
Summary
In den vergangenen Monaten wurden von einigen führenden Europapolitikern Strategien zur Erreichung einer sog. „europäischen Technologiesouveränität“ gefordert. Die Fokussierung auf technologische und zuweilen auch „industrielle Souveränität“ durch Politiker in Brüssel, Paris und anderen Hauptstädten ist vor allem als Reaktion auf die Verringerung des wirtschaftlichen Gewichts und des politischen Einflusses Europas in der Welt zu verstehen. Im Vergleich zu vielen Europapolitikern drückte Bundeskanzlerin Angela Merkel das politische Begehren nach Technologiesouveränität gleichwohl etwas differenzierter aus: „Wir müssen selbst entscheiden können, wo europäische Unabhängigkeit vonnöten ist.“ (Politico 2020a)
Mit einem Anteil von beinahe 25 % an der Wirtschaftsleistung der EU hat Deutschlands Wirtschaft insgesamt viel zu gewinnen oder zu verlieren, was Strategien zur Erreichung einer europäischen Technologiesouveränität angeht. Deutschland hat den höchsten Anteil an wissensbasierter Beschäftigung und wissensbasiertem Handel in der EU. Das spiegelt den hohen Anteil der verarbeitenden Industrien wider, die in der deutschen Wirtschaft unter den patentintensiven – also technologieintensiven – Industrien vorherrschend sind. Der Zugang zu Spitzentechnologien der Zukunft ist für die deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, da sämtliche Industrien einen Prozess hin zu technologiebasieren Produkten und Dienstleistungen durchlaufen, zu denen auch zukünftige Anwendungen der „Industrie der Dinge“ (IoT) gehören.
Die Politik in einigen EU-Ländern legt Technologiesouveränität gegenwärtig eher defensiv und protektionistisch aus. Wenn sich deutsche und andere europäische Politiker dieser Auslegung anschließen, riskieren sie die Privilegierung protektionistischer Interessengruppen innerhalb Europas, was die gesellschaftlichen Vorteile aus der globalen Handels- und Investitionsvernetzung deutlich reduzieren würde. Eine auf Protektionismus und Abschottung zielende Auslegung einer europäischen Technologiesouveränität würde Europas Offenheit im Hinblick auf Handel und Investitionen untergraben. Damit würde auch die Attraktivität Deutschlands für künftige Investitionen, Erfolge bei Spitzenforschung und Innovationen sowie der Anteil an wertschöpfungsintensiver Fertigung von technologiegestützten Produkten und Dienstleistungen sinken.
Auch Deutschlands Politik tut gut daran, verschiedene Aspekte technologischer Souveränität auf die politische Tagesordnung zu rücken. Gleichwohl ist die genaue Bedeutung dessen, was Souveränität oder Autonomie im Bereich von Technologien bedeutet, bislang nicht geklärt. Die politischen Diskussionen über eine europäische Technologiesouveränität gehen zum Beispiel weit vor den Ausbruch von Covid-19 zurück. Die jüngst aktualisierten industriepolitischen und digitalen Strategien der Europäischen Kommission stellen einen ersten Versuch der Europapolitik dar, unterschiedliche Vorstellungen von Souveränität zu „institutionalisieren“. Viele dieser Versuche sind jedoch inkonsistent mit Blick auch die übergeordneten Ziele der Europäischen Union, insbesondere die Binnenmarkt, Handels- und Investitionspolitik. In ihnen kommt vor allem die Auffassung zum Ausdruck, die EU-Politik müsse mehr für die Verteidigung sogenannter europäischer Werte und die Sicherung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit Europas tun. Oft wurde vorgebracht, die Abhängigkeit der Europäer von technologischen Lösungen, die von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern angeboten werden, würde eine politische Reaktion der EU und neue gesamteuropäische Gesetze erfordern. Vor diesem Hintergrund lassen sich allerdings gerade aus Covid-19 zwei wichtige Lehren für eine zukunftsorientierte Technologiepolitik in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten ziehen.
Erstens machten digitale Technologien, Lösungen und Dienstleistungen sowohl aus EU- als auch Nicht-EU-Ländern die Bürger und Unternehmen Europas während der Krise stärker bzw. souveräner. Dank moderner Technologien kam das Geschäftsleben in Deutschland auch während des Lock-downs nicht zum Erliegen – die Bürger konnten von zuhause arbeiten, wichtige Lieferungen erhalten, den Schulunterricht aufrechterhalten, online bestellen und online bezahlen, etc. Außerdem wurden Europäer und Nicht-Europäer, Bürger, Regierungen und öffentliche Institutionen insgesamt souveräner im Zugriff auf Informationen, mit Hilfe derer sich die Ausbreitung des Virus regional und international nachverfolgen und kontrollieren ließ.
Zweitens stellte die Krise auch Europas Widerstandsfähigkeit und augenscheinliche Abhängigkeit von ausländischen technologischen Lösungen auf den Prüfstand. Die Entwicklungen zeigen, dass technologische Lösungen aus einzelnen EU-Mitgliedstaaten keineswegs uneingeschränkt besser waren als bereits vorhandene europäische und internationale Lösungen. Einige wenige nationale und europäische IT-Dienste bewährten sich beispielsweise nicht, während bestehende europäische und globale Lösungen, von der Cloud-Infrastruktur bis hin zu Kommunikations-, Zahlungungs- und Streaming-Diensten, allesamt verlässlich funktionierten.
Die Behauptungen einiger Politiker aus Deutschland und auf EU-Ebene zeigen, dass die Covid-19-Krise zur Rechtfertigung verstärkter staatlicher Eingriffe in die digitale Transformation der EU-Mitgliedstaaten herangezogen wird. Für einige politische Entscheidungsträger dreht sich die Debatte zur europäischen Technologiesouveränität vorwiegend um die Ausarbeitung weiterer gesetzlicher Vorschriften für die Nutzung technologiebasierter Produkte und Dienstleistungen, also um Maßnahmen, welche die Flexibilität der Bürger und Unternehmen hinsichtlich der Auswahl von Produkten und Diensten einschränken würden. Derartige Forderungen könnten weitreichende Folgen nach sich ziehen. Eine „verordnende“ bzw. „vorschreibende“ Wirtschafts- und Technologiepolitik würde Deutschlands Zugang zu innovativen Technologien, Produkten und Dienstleistungen, die deutschen Unternehmen und ihren Mitarbeitern die Bewältigung der Krise erleichterten, reduzieren.
Zu den Strategien, die in Brüssel und einigen EU-Mitgliedstaaten erwogen werden, gehören auch neue Subventionen für politisch ausgewählte Unternehmen oder neue Regeln und Verpflichtungen für bestimmte Online-Geschäftsmodelle. Politische Entscheidungsträger, die solche Strategien befürworten, ignorieren dabei nicht nur wichtige Erkenntnisse aus der Covid-19-Krise, sondern auch gescheiterte industriepolitische Initiativen der Vergangenheit, etwa verlorene öffentliche Investitionen und die langjährige Subventionierung von nicht-nachhaltigen Industrien, z. B. des Kohlebergbaus, Teilen des Solarenergiesektors und ehemalige staatliche Telekomunternehmen.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollte sich gerade auch die deutsche Regierung davor hüten, Steuergelder oder Mittel aus einer noch höheren öffentlichen Verschuldung auszugeben für politisch motivierte Versuche bereits vorhandene und häufig erstklassige Technologielösungen zu kopieren. Die Dienste ausländischer Unternehmen werden bereits heute von vielen wertschöpfungsintensiven Unternehmen in Deutschland verwendet. Diese mit ausschließlich in Deutschland hergestellten Produkten und Dienstleistungen geringerer Qualität oder Zuverlässigkeit zu replizieren, würde sich negativ auf internationale Kooperationen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auswirken und protektionistische Fehlsignale in die Welt senden.
Was wirtschaftspolitische Entscheidungen auf EU-Ebene angeht, sollte auch die deutsche Regierung anerkennen, dass die EU nicht als ein monolithischer Block angesehen werden kann, für welchen einheitliche, von der EU auferlegte, technologische Strategien eine optimale Lösung wären. Aufgrund der Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung und der Pfadabhängigkeit nationaler Regulierungen würden restriktive oder gar vorschreibende europäische Technologiestrategien viele Mitgliedstaaten – auch Deutschland – daran hindern, vorhandene und neue Chancen zu nutzen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Prozesse der wirtschaftlichen Erneuerung und des strukturellen wirtschaftlichen Wandels würden womöglich massiv ausgebremst.
Eine von Ländern wie Frankreich und einigen anderen EU-Ländern bevorzugte protektionistische Interpretation von europäischer Technologiesouveränität würde sich unverhältnismäßig negativ auf die meisten europäischen Volkswirtschaften auswirken, deren Unternehmen und Bürger um den Zugang zu Spitzentechnologien, neue wirtschaftliche Chancen und neue Partnerschaften in globalen Märkten gebracht würden, was die wirtschaftliche Entwicklung und internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder untergraben würde.
Isolationistische EU-Technologie- und Industriestrategien, wie sie vor allem auch von Regierungsvertretern Frankreichs angestrebt werden, würden insbesondere Volkswirtschaften schwächen, deren Unternehmen auf internationale Investitionen und verlässliche globale Wertschöpfungsketten angewiesen sind. Jede Form von technologischem Protektionismus seitens der EU, wie er mittlerweile auch einigen Entscheidungsträgern in Brüssel vorschwebt, würde der deutschen Wirtschaft insgesamt schaden. Blindlings den von Frankreich angeführten Forderungen nach einer protektionistischen Auslegung der technologischen oder digitalen Souveränität der EU zu folgen, wäre langfristig nicht im Interesse Deutschlands als führende, offene und innovationsbasierte Exportnation. Technologischer Protektionismus würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der großen international tätigen Unternehmen Deutschlands gefährden, er würde auch Deutschlands kleinere innovative Unternehmen unverhältnismäßig treffen. Auch deren zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und globaler Erfolg hängen entscheidend vom ungehinderten Zugang zu kostengünstigen und zuverlässigen Technologielösungen internationaler Anbieter und einem möglichst diskriminierungsfreien Zugang zu internationalen Märkten ab.
Für die deutsche Bundesregierung bietet der derzeitige Vorsitz im EU-Rat und die Kommissionspräsidentschaft Ursula von der Leyens eine vielleicht einmalige, zukunftsweisende Gelegenheit, sich auf eine gemeinsame europäische Definition von „Technologiesouveränität“ zu einigen, die protektionistische industrie- und technologiepolitische Maßnahmen auf EU-Ebene präventiv ausschließt, wie es den Verpflichtungen der EU zu Wettbewerb und offenen Märkten gemäß dem Vertrag von Lissabon entspricht. Für Deutschland und die EU insgesamt wäre viel zu gewinnen, denn unterschiedliche Auslegungen von technologischer Souveränität können zu ernsthaften rechtlichen Inkonsistenzen führen und die Effizienz wirtschaftspolitischer Entscheidungen in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten untergraben, z. B. öffentliche Investitionen in die Entwicklung digitaler Kompetenzen und hohe öffentliche Investitionen in wissenschaftliche Grundlagenforschung. Außerdem kann sich nur ein Konzept von Technologiesouveränität, dass in technologischer Offenheit verankert, ist als nützliches politisches Ziel erweisen. Nur technologische Offenheit kann Deutschlands Wirtschaft auch künftig zu Erfolgen dank der Anwendung und Weiterentwicklung moderner Technologien und technologiegestützten Geschäftsmodellen verhelfen.
Eine auf technologischer Offenheit basierende Wirtschaftspolitik würde die dringend nötige technologische Transformation viele deutscher Industrien beschleunigen und dazu beitragen, dass möglichst viele deutsche Unternehmen auch künftig international führende Innovationstreiber bleiben oder werden. Technologische Offenheit wäre auch ein nützliches politisches Ziel für Europa. Sie würde den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten der EU unterstützen, deren Bürger und Unternehmen von vorhandenen Technologien, Produkten und Dienstleistungen – egal woher sie kommen – auch in Zukunft profitieren würden. Durch die Verpflichtung zu technologischer Offenheit könnte auch die EU eine Führungsposition und globale Vorbildrolle im Bereich diskriminierungsfreier Regulierung einnehmen, die natürlich auch auf die internationale Standardsetzung ausstrahlen würde und Protektionismus weltweit eindämmen könnte.
Technologiesouveränität auf der Grundlage (französisch geprägter) merkantilistischer oder protektionistischer Leitgedanken würde Unternehmen in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten den Zugang zu modernen Technologien, neuen Geschäftsmodellen und ausländischem Kapital erschweren – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen, den Wohlstand und den wirtschaftlichen Konvergenzprozess innerhalb der EU.
Eine europäische Technologiesouveränität, die möglichst vielen Europäern zugute kommt – nicht bloß einigen politisch ausgewählten Gewinnern – sollte nach einem Regelungsumfeld streben, in welchem Technologieunternehmen und Technologieanwender über die Grenzen innerhalb der EU hinweg erfolgreich sein können. Die Bundesregierung sollte sich auch gerade deshalb darüber im Klaren sein, dass der europäische Binnenmarkt in den letzten Jahren in Mitleidenschaft gezogen wurde und während der Covid-19-Krise erheblichen Spannungen ausgesetzt war. Die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen setzte sich zwar wiederholt für eine Stärkung des Binnenmarktes ein. Eine weltweite Führungsposition in den Bereichen Innovation und Wirtschaftsentwicklung ist indessen nur mit einem echten Europäischen Binnenmarkt möglich, in welchem Unternehmen mit möglichst wenig Hürden größer und weltweit konkurrenzfähiger werden können. Im Vergleich zu den USA, aber auch China, ist der Europäische Markt immer noch ein regulatorischer Flickenteppich. Auf EU-Ebene und nationaler Ebene sollte daher die Weiterentwicklung des Binnenmarktes durch wettbewerbsfreundliche Regulierungen und wirksame Anreize für Forschung und Investitionen ergänzt werden.
Die Politik in Deutschland sollte auch anerkennen, dass Brüssel nicht im Alleingang globale Vorgaben für technologiepolitische Konzepte machen kann. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel für eine engere regulatorische Kooperation mit vertrauenswürdigen internationalen Partnern einsetzen, etwa den G7 oder der größeren Gruppe der OECD-Länder. Es liegt gerade auch im Interesse deutscher Bürger und Unternehmen, für eine regelbasierte internationale Ordnung mit offenen Märkten einzutreten. Neben klassischen Themen der Handels- und Investitionspolitik sollte sich die internationale Zusammenarbeit auch auf technologiepolitische Maßnahmen wie beispielsweise die Regulierung von künstlicher Intelligenz erstrecken. Eine engere regulatorische Kooperation mit Verbündeten, insbesondere auch den USA, ist unerlässlich für die Etablierung globaler Normen, die auf gemeinsamen Werten basieren. Deutschland, die EU und die USA hätten viel zu gewinnen, wenn sie einer solchen Kooperation den Vorzug geben. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund einer wachsenden internationalen Einflussnahme durch Regierungen mit grundlegend anderen Ansichten über staatliche Interventionen und die Anerkennung grundlegender Menschenrechte. Auf der Grundlage technologischer Offenheit könnten Deutschland, die EU, die USA und andere ähnlich gesinnte Partnerländer Leitlinien für eine Technologiesouveränität entwickeln, die auch die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung in anderen Teilen der Welt begünstigt.
ECIPE bedankt sich bei der Computer & Communications Industry Association für finanzielle Unterstützung für diese Arbeit. Eine erste Fassung wurde in englischer Sprache im Mai 2020 veröffentlicht.
1. Einleitung
Einige führende Politiker in Europa setzen sich gegenwärtig für gesetzliche Maßnahmen zur Förderung einer „europäischen Technologiesouveränität“ oder „digitalen Souveränität“ ein (wir werden diese Ausdrücke in dieser Arbeit synonym verwenden). Der Begriff der Technologiesouveränität ist nicht neu – er hat eine lange Vergangenheit. Gleichwohl wurde er nie exakt umrissen, geschweige denn konsistent mit anderen politischen Zielen definiert. Die jüngsten politischen Aufrufe hängen eng mit politischen Forderungen nach einer Reindustrialisierung entwickelter Volkswirtschaften zusammen, die sich auch in der Politik Westeuropas, insbesondere in Frankreich, in den letzten zehn Jahren großer Beliebtheit erfreuten. Doch während es sich bei dem Thema Technologiesouveränität für einige Politiker vorwiegend um die Idee einer wirtschaftspolitischen Strategie zum Schutz traditioneller europäischer Industriezweige handelt, betrachten andere Technologiesouveränität aus dem Blickwinkel von Werten, der Geschichte oder des Völkerrechts.
Geschichtlich betrachtet bestehen sicher nur wenig Zweifel daran, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht mit einer Politik erreicht werden kann, die Europa von technologischen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt abschotten will. Entsprechend gibt es in Europa glücklicherweise auch nicht allzu viele Politiker, die für eine strikte auf Abschottung abzielende technologische Unabhängigkeit eintreten. Ein entsprechendes Verständnis von Souveränität würde auch nicht zur Europäischen Union passen: die meisten EU-Länder würden eine auf Abschottung abzielende europäische Technologie- und Industriepolitik wohl ablehnen, was zu mehr Reibungen innerhalb Europas führen würde. Eine europäische Politik der technologischen Unabhängigkeit oder Autarkie würde daher sowohl Europas wirtschaftliche Integration als auch die politische Zukunft der EU insgesamt gefährden.
Es gibt aber auch andere Zugänge zu technologischer Souveränität. Ziel dieser Arbeit ist ein Diskurs über die wichtigsten Grundzüge der Debatte, an denen sich auch die deutsche Politik in ihren Bemühungen um die Gestaltung von technologie- und industriepolitischen Maßnahmen orientieren sollte. Wir werden skizzieren, wie nationale und europäische Politik die Technologiesouveränität der Europäer verbessern und gleichzeitig technologische Offenheit sichern kann. Beides schließt einander nicht aus: in modernen, international vernetzen Volkswirtschaften gehen Offenheit und Souveränität eng miteinander einher. Wir argumentieren daher für eine Vertiefung des Europäischen Binnenmarktes – der nach wie vor durch unzählige nationale Vorschriften fragmentiert ist, in Zukunft aber die Souveränität der Europäer – Bürger, Unternehmen und Regierungen – deutlich stärken könnte. Wir werden zudem darauf hinweisen, dass Deutschland und die EU im Interesse der Wirtschaft und des Schutzes fundamentaler gesellschaftlicher Werte auf eine stärkere Marktintegration und Regulierungszusammenarbeit mit wichtigen internationalen Partnern hinarbeiten sollten, beispielsweise mit den Ländern der OECD. Auch die transatlantische Beziehung ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere die Kombination von gemeinsamen Werten, wirtschaftlicher Größe und der gegenwärtigen Technologieführerschaft vieler Unternehmen. Durch eine engere Kooperation könnten Europa und die USA künftig globale Standards vorleben und vorgeben. Wenn beide Seiten indessen unterschiedliche Standards anstreben, verlieren sie mittelfristig die internationale Gestaltungshoheit über internationale Regeln für eine digitale und technologiegestützte Wirtschaft.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Covid-19 zeigen, dass Widerstandsfähigkeit auf Anpassungsfähigkeit und der Inanspruchnahme einer Vielzahl von technologischen Lösungen beruht – und gerade nicht auf dem Streben nach Autarkie oder dem Vertrauen auf nationalstaatliche Lösungen. Während der Covid-19-Krise trugen viele zum Teil sehr verschiedene nationale, europäische und nichteuropäische Unternehmen zur Versorgung der Europäer mit dringend benötigten medizinischen Produkten und Nahrungsmitteln bei. Europäische und nicht-europäische Unternehmen sorgten auch für die Aufrechterhaltung einer Grundversorgung im Bereich des Online-Handels, der Telekommunikation und audiovisueller Dienste – zum Teil trotz enormer technischer Belastungen. Die Covid-19-Krise unterbrach viele industrielle Wertschöpfungsketten, während digitale Dienste weiterhin verlässlich funktionierten und so Europas Wirtschaft am Laufen hielten. Dadurch wurden die Europäer de facto widerstandsfähiger und, mit anderen Worten, souveräner. Diese Einsicht wird auch in der Europäischen Kommission geteilt. Werner Stengg, Experte für digitalen Wandel im Kabinett der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margrethe Vestager, erklärte im Mai 2020: „Das Einzige, was auf dem Höhepunkt der Krise wirklich funktionierte, war digital.“ (Access Partnership 2020)
Für Deutschland, aber auch einen regionalen Länderverbund wie die EU, hängt die künftige Möglichkeit einer effektiven Einflussnahme auf wirtschaftliche und technologische Entwicklungen in der eigenen Region, aber auch global, entscheidend von politischen Maßnahmen und privatwirtschaftlichen Initiativen ab, die die Energie und den Einfallsreichtum vieler global agierender Akteure nutzen. Ob Deutschland auch künftig von modernen Technologien profitieren wird, hängt entscheidend davon ab, ob und wie einzelne Bürger und Firmen neue Technologien in unterschiedlichster Weise nutzen können.
Diese und andere Erwägungen wollen wir mit Blick auf Deutschland und die EU in den folgenden Abschnitten vertiefen. In Abschnitt 2 wird auf die Begriffe Souveränität und Autonomie und einige wesentliche politische und wirtschaftliche Auswirkungen eingegangen. Abschnitt 3 erläutert zentrale politische Beweggründe in der laufenden Debatte über eine europäische Technologiesouveränität. Wir befassen uns mit den Ursprüngen dieser Debatte, die wir unter den Begriffen Kultur, Kontrolle, Wettbewerbsfähigkeit und Cybersicherheit zusammenfassen und diskutieren. In Abschnitt 4 werden wesentliche wirtschafts- und industriepolitische Irrtümer und die potentiellen Kosten eines von der EU auferlegten technologischen Protektionismus im Lichte der neuen EU-Strategien für Industrie und Digitales behandelt. Abschnitt 4 enthält zudem Empfehlungen, wie die Politik Investitionen und Innovation in Europa fördern kann und wie Bürger und Unternehmen in Europa souveräner im Zugang und in der Nutzung moderner Technologen werden können.
2. Souveränität, Autonomie und internationale wirtschaftliche Verflechtung
Was ist Souveränität und was bedeutet sie im Zusammenhang mit Technologie- und Digitalpolitik?
Souveränität kann viele unterschiedliche Bedeutungen haben. Geschichtlich und politisch betrachtet geht es in erster Linie um die „politische Hoheit über ein territoriales Gebiet“, mehr oder weniger gleichbedeutend mit „politischer Kompetenz zur Machtausübung in einem bestimmten Territorium“.[1] Etwas breiter gefasst kann Souveränität auch bedeuten, dass die Bewohner eines Landes „ihre Regierungsform frei wählen können“ und dass sie vor der Einmischung anderer Länder in ihre Angelegenheiten geschützt sind (siehe beispielsweise Besson 2011; Berger 2010; Krasner 2001). Mit diesem Verständnis wird die Souveränität eines Staates zu einem recht einfach umrissenen Begriff, der im Völkerrecht verankert ist.
Schwieriger wird es allerdings, wenn Souveränität etwas anderes bedeuten soll, z. B. wenn Politiker davon sprechen, dass Staaten voneinander unabhängig sein und in allen Angelegenheiten frei entscheiden können sollten, selbst wenn andere im In- und Ausland negativ davon betroffen wären. Heute sind solche Vorstellungen rar. Regierungen kooperieren schon lange in vielen Bereichen mit anderen Regierungen. Sie schließen Vereinbarungen darüber ab, welche Regeln in zwischenstaatlichen Beziehungen zu gelten haben. Zwar werden internationale Verpflichtungen nicht immer eingehalten, bestimmte Grenzen der staatlichen Souveränität werden aber meist akzeptiert, weil andere Formen des Umgangs in zwischenstaatlichen Beziehungen negative Folgen haben würden. Internationale Wirtschaftsregulierung besteht beispielsweise darin, dass Staaten sich auf spezifische Verhaltensregeln einigen – von Gesundheits-, Tier- und Pflanzenschutzvorschriften bis hin zu Wettbewerbsregeln. Die EU selbst ist hier ein gutes Beispiel: sie legt sowohl in ihrer Binnenmarkt- als auch der Handelspolitik die Regeln für das Markt- und Wettbewerbsverhalten von Unternehmen fest. Durch diese und zahlreiche andere internationale Abkommen – auch bilaterale Handelsabkommen – wird die Souveränität von Regierungen in der Entscheidungsfindung über nationale politische Maßnahmen faktisch einschränkt, wobei diese Einschränkungen aufgrund anderer Vorteile (auch von Folgeregierungen) akzeptiert werden.
Im Zusammenhang mit Technologien wird der Begriff „Souveränität“ zunehmend zur Beschreibung verschiedener Formen von Autonomie, Unabhängigkeit und Kontrolle und in Bezug auf digitale Technologien, Online-Geschäftsmodelle und Online-Inhalte verwendet. In Frankreich wurde digitale Souveränität recht früh in einer aufkeimenden Debatte als „Kontrolle über unsere Gegenwart und unser Schicksal verstanden, geleitet und manifestiert durch den Einsatz von Technologie“ (Bellanger 2011). Nach Meinung des Verfassers dieser Zeilen handele es sich zum Beispiel um einen Souveränitätsverlust, wenn eine Regierung die Entwicklung von digitalen Netzen nicht kontrolliert (Couture und Toupin 2017).
Unklar bleibt bei derartigen Erwägungen, was Kontrolle oder die Fähigkeit Kontrolle auszuüben auf staatlicher Ebene eigentlich bedeutet oder gar bedeuten muss. Die Fähigkeit von Regierungen, die wirtschaftliche oder technologische Zukunft wirklich beeinflussen zu können, ist faktisch nämlich nur begrenzt. Regierungen können staatliche Rahmenbedingungen für Bürger und Unternehmen festlegen, welche auf die Ergebnisse des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns einzelner Auswirkungen haben. Entsprechend muss sich Souveränität staatlichen Handelns immer an den Ergebnissen messen lassen, die durch oder im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen zustande gekommen sind.
Wie Leonard et al. (2019) mit Blick auf die EU vorbringen,
ist in einer offenen, vernetzten Wirtschaft technologische Unabhängigkeit nicht möglich. Doch eine Ökonomie mit 450 Millionen Einwohnern (ohne Vereinigtes Königreich) und einem BIP von 14.000 Milliarden Euro kann darauf abzielen, die wichtigsten generischen Technologien und Infrastrukturen zu beherrschen. Ziel der EU sollte sein, in all jenen Bereichen aktiv zu werden, die für die Widerstandsfähigkeit des Wirtschaftssystems entscheidend sind oder maßgeblich an der Gestaltung der Zukunft beteiligt sind.
Der Verweis auf wirtschaftliche oder territoriale Größe greift allerdings viel zu kurz. Würde man unter Souveränität die Gestaltungsmacht von Regierungen in internationalen Wirtschaftsbeziehungen verstehen – wovon in der Politik häufig die Rede ist –, kann in einer immer enger verwobenen Weltwirtschaft mehr staatliche Souveränität nur erlangt werden, wenn das regierte Land oder die regierte Region (wie im Falle der EU-Politik) weltweit führend bei wirtschaftlichen Aktivitäten, Forschung und Innovation ist und bleibt. Dafür bedarf es guter Regulierung sowie guter Verwaltung. Das Streben nach technologischer Unabhängigkeit durch Auferlegung übermäßig restriktiver EU-Gesetze würde es Europäern erschweren, generische Technologien oder Schlüsseltechnologien in Zukunft zu entwickeln oder kommerziell anzuwenden.
Die internationale Vernetzung der europäischen Wirtschaft negierend wird europäische Souveränität im Bereich von Technologien häufig immer noch als „Autonomie Europas“ politisch kommuniziert. Jean-Claude Juncker, der ehemalige Präsident der EU-Kommission, erklärte bereits 2018: „Jetzt schlägt die Stunde der europäischen Souveränität“ (Europäische Kommission 2018). Viel wird auch über „strategische Autonomie“ für die EU insgesamt gesprochen, ein politisches Schlagwort, auf dass bei der Europawahl 2019 häufig verwiesen wurde. Während strategische Autonomie häufig als Mittel für eine engere europäische Zusammenarbeit angesehen wird, trifft gleichwohl zu, dass einzelne – häufig kleinere EU-Mitgliedstaaten oft auch in Bezug auf große EU-Länder wie Frankreich und Deutschland von Autonomie sprechen. Für einige Mitgliedstaaten bedeutet strategische Autonomie daher auch die Vermeidung einer zu großen Abhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Mächten innerhalb Europas.
Für einige Entscheidungsträger innerhalb der Europäischen Kommission bedeutet Autonomie in erster Linie, dass die Europapolitik weiterhin zum Vorteil europäischer Unternehmen entscheiden und die wirtschaftlichen Interessen Europas weltweit vorantreiben muss (Europäische Kommission 2020a, 2020b, 2020c).[2] Dies kann zwar ein sinnvoller Ausgangspunkt für politisches Handeln auf EU-Ebene sein, doch daraus folgt unmittelbar, dass die Europapolitik ihr Augenmerk auf realistische Möglichkeiten der Gestaltung von Gesetzen, Regeln und Normen – gemeinsam mit Nicht-Europäern – richten sollte, welche die digitale Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Wettbewerb definieren. In einer digitalisierten Welt mit globalen Wertschöpfungsketten kann Autonomie nicht Unabhängigkeit von anderen bedeuten. Ein politisches Streben nach Unabhängigkeit könnte für die EU irreparable Kosten verursachen. Handelsbarrieren, Subventionen oder restriktive industriepolitische Maßnahmen können die Vorteile und wettbewerbliche Dynamik internationaler Arbeits- und Forschungsteilung nicht ersetzen, welche Europäer – vor allem auch deutsche Firmen und Arbeitnehmer – und ihre Partner aus technologischer und digitaler Offenheit ziehen.
Die globalen wirtschaftlichen Entwicklungen deuten darauf hin, dass Europa auch künftig sehr an einer Zusammenarbeit mit nicht-Europäern interessiert sein wird. Dies gilt sowohl für die Wirtschaft als auch für die Politik. Die schiere Größe der EU wird in der internationalen Wirtschaftsdiplomatie in Zukunft aber immer weniger relevant sein. Das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft wird sich deutlich verlagern. McKinsey (2019) geht davon aus, dass Asien bis 2040 50 % des weltweiten BIP ausmachen wird. Bis 2050 werden die EU und die USA laut PWC (2017) gegenüber den aufstrebenden Volkswirtschaften Indiens und Chinas stetig Boden verlieren. Der Anteil des BIP der EU-27 am globalen BIP wird auf etwa 9 % fallen, während das BIP der USA 2050 vermutlich etwas höher, bei 12 % des globalen BIP, liegen wird.[3]
Im Bereich der globalen Innovationen zeichnen sich bereits heute ähnliche Entwicklungen ab. Im Jahr 2019 gingen beim Europäischen Patentamt (EPA) etwa 181.000 Patentanträge ein, ein neuer Rekord, um 4 % mehr als 2018. Insgesamt kam fast die Hälfte aller Patentanmeldungen von Unternehmen (und Forschungseinrichtungen) mit Sitz in Europa (inkl. nicht-EU-Ländern wie der Schweiz). US-Unternehmen reichten ein Viertel aller EPA-Anmeldungen ein, gefolgt von Unternehmen aus Japan, China und Südkorea. Die EPA-Zahlen zeigen, dass Europa für Unternehmen aus anderen Regionen nach wie vor eine attraktive Wirtschaftsregion ist. Die Zahlen zeigen aber auch, dass die Innovationsfähigkeit von Unternehmen aus EU-Ländern in Relation zurückgeht.
Zwischen 2010 und 2019 nahmen die Forschungs- und Patentierungsaktivitäten außereuropäischer Unternehmen stärker zu als die von europäischen Unternehmen (siehe Abbildung 1). Auch für die zehn wichtigsten Technologiesektoren in Bezug auf Patente zeigen die EPA-Zahlen, dass die Innovationsbilanz europäischer Unternehmen eher gemischt ist. Zwischen 2010 und 2019 wiesen Unternehmen mit Sitz in der EU relativ hohe Patentierungsaktivitäten in der Automobil-, Chemie- und Maschinenbauindustrie auf. Deutlich weniger aktiv waren Unternehmen mit Sitz in der EU in den Bereichen digitale Kommunikation und Computertechnologien sowie Pharmazeutika und Biotechnologie (siehe Abbildung 2). Wie in Tabelle 7 im Anhang dargestellt, sind Unternehmen mit Sitz in den USA in sieben der zehn wichtigsten Technologiebereiche führend. Deutsche Unternehmen zählen nach wie vor zu den führenden Innovatoren in den Bereichen Medizintechnik, Pharmazeutika, elektrische Maschinen, Spezialmaschinen, Chemie sowie Transporttechnik und in der Automobilindustrie.
Abbildung 1: Europäische Patentanmeldungen 2010 bis 2019, EU27, Großbritannien und die 10 wichtigsten nicht-EU-Länder
Quelle: Europäisches Patentamt. Europäische Patentanmeldungen nach Land des Sitzes des ersten aufgeführten Antragstellers.
Abbildung 2: Insgesamt für den Zeitraum 2010-2019 erteilte europäische Patente nach Technologiefeld
Quelle: Europäisches Patentamt. Hinweis: Elektrische Maschinen umfassen elektrische Maschinen, Apparate und Energie. Die Analyse basiert auf den bekanntgemachten von der EPA erteilten Patenten.
Mit Blick auf künftige Handlungsoptionen der Politik in Deutschland und der EU ergeben sich drei wichtige Erkenntnisse. Erstens, weder die EU, noch Deutschland, noch die USA werden sich im politischen Streben nach Autonomie, Souveränität und Einfluss in der Weltwirtschaft künftig auf die Größe des eigenen Marktes verlassen können. Andere Länder, z. B. Japan, sind mit denselben globalen Entwicklungen konfrontiert. Aufstrebende Länder wie China und Indien werden voraussichtlich enorm an wirtschaftlicher Schlagkraft gewinnen. Ihre Regierungen könnten den politischen Druck auf andere erhöhen, sich künftig an ihre Gesetze, Regeln und Normen zu halten. Aber keines dieser Länder wird auch nur annähernd jene Dominanz in der globalen Rechts- und Regelsetzung erreichen, welche die USA und Europa in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatten. Die globale Wirtschaftskraft und der politische Einfluss werden sich in Zukunft stärker verteilen.
Europäische Interessen sind nicht einzigartig in der Welt. Ähnliche Interessen werden auch in anderen Teilen der Welt verfolgt. Vielen Regierungen weltweit geht es darum, die Datenintegrität zu verbessern und digitale Netzwerke vor unberechtigten Eindringlingen zu schützen – selbst wenn ihre Regierungen selbst Täter sind.[4] Nicht nur die Bundesregierung und die EU wollen, dass das Verhalten von Internetnutzern – Regierungen, Unternehmen und Bürgern – grundlegenden Rechten folgt. Und nicht nur Europäer finden, dass der wirtschaftliche Nutzen der Digitalisierung für alle größer sein könnte. Viele Regierungen vertreten zudem die Ansicht, dass die Digitalisierung eine „Einbahnstraße“ sei, dass zum Beispiel ausschließlich große Technologieunternehmen Nutzen aus der digitalen Transformation ziehen würden. Solche Auffassungen werden sogar von einigen amerikanischen Politikern geteilt, obwohl viele international erfolgreiche Technologieunternehmen in den USA beheimatet sind.
Darin, dass viele Politiker zu denken scheinen, das eigene Land würde verlieren und die Gewinner wären vor allem Ausländer, zeigt sich auch, dass viele Politiker die Meinung vertreten, die laufende strukturelle Technologie-Transformation der Wirtschaft sei bereits heute zum Ende gekommen. Diese Auffassung ist falsch. Viele Prognosen legen nahe, dass auch in der Zukunft mit weiteren tiefgreifenden Veränderungen zu rechnen ist, die auch Herausforderungen für die heutigen Gewinner der Digitalisierung mit sich bringen. Es zeigt sich bei genauem Hinsehen auch, dass die Vorteile aus der Nutzung der digitalen Wirtschaft wesentlich gleichmäßiger über die Ökonomien weltweit verteilt sind – was sich an der Nutzung von IT-Gütern und -Dienstleistungen seitens der Verbraucher zeigt, zu denen natürlich auch deutsche und europäische Bürger und Unternehmen zählen. Die realwirtschaftlichen Auswirkungen von Innovationen auf Einkommen zeigen überdies, dass der größte wirtschaftlichen Nutzen aus neuen Technologien und technologiegestützten Geschäftsmodellen immer dort erzielt, wo diese ohne hohe gesetzliche Hürden adaptiert bzw. angewendet werden können.
Die zweite Erkenntnis ist, dass sowohl die EU-Politik als auch die Politik einzelner Mitgliedstaaten wie Deutschland angesichts sinkender relativer Wirtschaftskraft ihre Fähigkeit verbessern muss, globale Regeln sowie nationale wirtschaftliche und technologische Resultate positiv zu beeinflussen, indem die eigenen Länder bzw. die EU insgesamt attraktiver für Wissenschaftler, Spitzenforscher und innovative Unternehmen werden. Mit einem Anteil von 9 % an der Weltwirtschaft wird Europa bei der Bereitstellung von Spitzentechnologie und digitalen Diensten zunehmend von anderen Teilen der Welt abhängig sein. Anders ausgedrückt: Die Politik kann die globalen Abhängigkeiten nicht verringern, wenn gleichzeitig die eigene relative wirtschaftliche Größe zurückgeht. Wenn Quantität (BIP) nicht mehr als Pluspunkt gilt, zumindest nicht so viel wiegt, wie es früher der Fall war, müssen die politischen Führungen der EU-Länder die Rechtsetzung im eigenen Land verbessern, um Innovationen zu fördern und ein Vorbild bei Regulierungen zu werden, dem auch andere Länder – möglichst freiwillig – folgen wollen.
Die dritte Erkenntnis liegt darin, dass der Europäische Binnenmarkt eine entscheidende Quelle der wirtschaftlichen Souveränität Europas sein kann – und dass er vertieft werden muss, damit Wettbewerb, Effizienz, Innovation und Diversität zunehmen können. Wirtschaftliche Größe wird wichtig bleiben, und mit einer größeren Wirtschaft, die eine barrierefreie grenzüberschreitende Handels- und Technologieentwicklung zulässt, können die EU-Mitgliedstaaten ihre eigene Attraktivität als Ort für Innovation und die Entwicklung hin zu einem inklusiveren Wirtschaftsraum beschleunigen. Darüber hinaus würde die EU mit mehr wirtschaftlicher Schlagkraft automatisch mehr Einfluss auf globale Normen und Standards für Technologie erhalten.
[1] Siehe beispielsweise Stanford Encyclopedia of Philosophy.
[2] Zu beachten ist, dass die Europäische Kommission in unterschiedlichen Bereichen und Zusammenhängen verschiedene Souveränitäts- und Autonomiebegriffe anführt, je nach den politischen Zielen ihrer Generaldirektionen. Im Juni 2020 erklärte beispielsweise Pearse O‘Donohue, Direktor der Generaldirektion CNECT, dass „digitale Souveränität zu unseren Hauptprioriäten in digitalen und technologischen Portfolios der kommen Jahre gehören wird. Darin betonten wir, dass digitale Souveränität zwei einander ergänzende Aspekte umfasst: einerseits die Kontrolle der Nutzer über ihre personenbezogenen Daten und Online-Aktivitäten, unter vollständiger Einhaltung der für die EU so wichtigen demokratischen Grundsätze, und andererseits Investitionen in Forschung und Innovation und Strategien, welche die strategische Autonomie Europas in der technologischen Lieferkette gewährleisten.“ (O’Donohue 2020).
[3] Vielen Menschen ist dieser Wandel bereits heute bewusst. Zwar ist die EU nach BIP immer noch die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, doch nur wenige Menschen sehen sie weltweit als wirtschaftliche Führungsmacht vor den USA oder China. In einer PEW-Umfrage (2017) in 38 Ländern betrachteten im Median nur 9 % die EU-Länder als führende Wirtschaftsmacht der Welt. 42 % nannten die USA und 32 % China, weitere 7 % Japan. Bemerkenswert ist, dass sogar in den 10 EU-Ländern, in denen die Umfrage durchgeführt wurde, im Mittel nur 9 % die EU für die führende Volkswirtschaft der Welt hielten.
[4] „Datenintegrität“ sehen wir als Gesamtgenauigkeit, Vollständigkeit und Konsistenz der Daten, aber auch als Sicherheit der Daten im Hinblick auf die Einhaltung behördlicher Auflagen, z. B. die Einhaltung von Datenschutzvorschriften.
3. Argumente in der Debatte über europäische Technologiesouveränität
Warum befasst sich ausgerechnet die Europapolitik mit technologischer Souveränität – und warum jetzt? Verschiedene Beobachter sehen unterschiedliche Motivationen. Viele Ansätze zur Technologiesouveränität drehen sich um Datenschutz, aber auch um das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit von neuen digitalen Technologien und Online-Inhalten (z. B. Popp 2019; Benhamou 2018; Goujard 2018; Pohlmann 2014). Einige Politiker nutzen den Begriff Souveränität, um sich für Maßnahmen gegen mutmaßliche Herausforderungen der Digitalen Transformation auszusprechen, die von bestimmten, häufig ausländischen, Technologieunternehmen ausgehen würden (Gueham 2017). Andere nehmen Bezug auf den Verbraucherschutz (z. B. Deutscher Beirat für Verbraucherfragen 2017). Ein großer Teil der Literatur zur Technologiesouveränität befasst sich zudem mit künstlicher Intelligenz (z. B. DigitalGipfel 2018) und Cybersicherheit (z. B. Bonenfant 2018). Andere beziehen sich auf Zahlungshoheit (z. B. EZB 2019). Weitere Aspekte sind der eher „allgemeine“ Zugang zu kritischen Technologien (z. B. Drent 2018) und „Technologieabhängigkeiten“ in den Bereichen Verteidigung und im öffentlichen Beschaffungswesen (z. B. Fiott 2018; FMIBC 2019; Lippert et al. 2019). Diese Beispiele zeigen, dass die Motivation von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft darin besteht, sehr verschiedene Interessen zu adressieren, was, je nach Perspektive, in sehr unterschiedlichen Auffassungen über wirtschaftspolitische oder technologische Souveränität resultiert.
Unserer Ansicht nach gibt es vier Ansätze, die politisches Streben innerhalb Europas – aber nicht nur in Europa – nach verschiedenen Arten von Technologiesouveränität erklären: Kultur, Kontrolle, Wettbewerbsfähigkeit und Cybersicherheit:
- Kultur: der „kulturelle“ Ansatz für Technologiesouveränität geht von der Annahme aus, dass sich Europa bezüglich der Verteidigung der eigenen Werte und der eigenen Marktregulierungen von anderen Teilen der Welt unterscheidet – was sich beispielsweise im europäischen Datenschutzrecht offenbart. Zentral für diese Annahme ist, dass insbesondere die Regulierung der Digitalwirtschaft ein grundlegendes Abwägen der Rechte des Einzelnen und der unternehmerischen Freiheit erfordert, und dass die Europapolitik sich jüngst dafür entschieden hat, grundlegende Werte und Rechte „bevorzugt“ vor zu viel unternehmerischer Freiheit zu schützen.
- Kontrolle: dieser Ansatz der Politik sieht Technologiesouveränität aus dem Blickwinkel von Verordnung und Kontrolle (command and control). Politisches Ziel wäre es, der EU oder einzelnen Mitgliedstaaten politische Instrumente in Form von neuen Gesetzen an die Hand zu geben, mit denen sich die Ergebnisse einer digitalen Wirtschaft (z. B. Geschäftsvolumina, Einkommen, internationaler Handel und Innovationen) allgemein und die Nutzung digitaler Dienste durch Bürger und Unternehmen (wer und in welchem gesetzlichen Rahmen) kontrollieren ließen.
- Wettbewerbsfähigkeit: eine weitere und in der Politik weit verbreitete Sichtweise betrifft Überlegungen zur internationalen industriellen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, d.h. die künftige Fähigkeit deutscher und europäischer, vor allem großer und multinationaler Unternehmen, sich sowohl innerhalb Europas als auch auf den Weltmärkten zu behaupten. Unter dem Begriff Wettbewerbsfähigkeit fallen aber auch Ängste der europäischen Politik vor einem zunehmend geringeren Einfluss in der internationalen Wirtschaftsdiplomatie, insbesondere beim Setzen von Industrie- und Technologiestandards und Marktregulierungen.
- Cybersicherheit: schließlich besteht ein steigendes politisches Interesse an Maßnahmen zum Schutz personenbezogener und geschäftlicher Daten sowie an der Verfügbarkeit aller für den Schutz der digitalen Integrität und digitalen Widerstandsfähigkeit erforderlichen Lösungen und Technologien.
3.1. Kultur und Kontrolle: Eine statische Sicht auf Regulierung von Industrien, Märkten und Technologien
3.1.1. Kultur
Der kulturelle Ansatz für Technologiesouveränität spiegelt zwei Ansichten wider, die häufig von Politikern zur Unterstützung bestimmter Regulierungsansätze vertreten werden: Erstens die Ansicht, dass Europa in Bezug auf grundlegende Werte als ein einheitlicher Block zu verstehen sei (alle EU-Bürger bzw. -Staaten haben gemeinsame Werte) und dass diese Werte sich von den Werten anderer Länder, beispielsweise Chinas, den USA oder der Schweiz, unterscheiden. Es wird auf EU-Ebene häufig postuliert, dass andere Länder ihre digitale Wirtschaft anders regulieren als es in Europa notwendig sei, weil die Bürger in Europa eben andere Wertevorstellungen hätten. Und zweitens die Meinung, dass die digitale und technologische Regulierung sehr oft (wenngleich nicht immer) eine Wahl zwischen Werten und Rechten auf der einen Seite und wirtschaftlicher Freiheit auf der anderen darstellen würde. Beide Ansichten haben jüngst auch Eingang in die wirtschaftspolitischen Mandate der Europäischen Kommission gefunden, die Ursula von der Leyen an die neuen EU-Kommissare richtete (siehe Box 1).
Beide Ansichten provozieren polarisierende politische Einschätzungen und sind daher tückisch. Sie sehen und kommunizieren häufig Wertekonflikte in die breite Öffentlichkeit, wo es keine gibt. Es gibt natürlich gesellschaftliche und auch politische Wertunterschiede in der Welt, die sich in unterschiedlichen nationalen Gesetzen offenbaren können. In der wirtschaftspolitischen Realität haben sich nationale Regulierungen allerdings bereits heute stark angenähert, nicht nur materiell, also den Regelungsgehalt betreffend, sondern auch in der politischen Motivation, warum in bestimmten Bereichen eigentlich reguliert werden soll.
Auch der Konflikt zwischen den grundlegenden Rechten des Einzelnen und wirtschaftlichen Freiheiten wird von der Politik häufig übertrieben und polarisierend dargestellt. Es kommt zwar tatsächlich in manchen Bereichen zu solchen Wertekonflikten – der Einsatz von Technologien künstlicher Intelligenz in der audio-visuellen Überwachung von Bürgern ist ein aktuelles Beispiel –wesentlich wichtiger ist aber die Einsicht, dass auf lange Sicht – so zeigt es die Empirie – wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftlicher Erfolg für eine Gesellschaft, die auch die Rechte des Einzelnen fördert und die Bürger vor staatlicher Repression schützt, untrennbar miteinander verbunden sind.
Ein Beispiel für Europas wertebasierten Ansatz ist die neue Digitalstrategie der EU, Gestaltung der digitalen Zukunft Europas. In der von der Europäischen Kommission im Februar 2020 veröffentlichten Strategie heißt es, dass die EU eine „europäische Gesellschaft anstrebt, die von digitalen Technologien angetrieben wird, die fest in unseren gemeinsamen Werten verwurzelt sind […]“ (Europäische Kommission 2020b, S. 1). Und weiter: „Auch wenn wir die Zukunft der digitalen Technologie nicht vorhersagen können, müssen die europäischen Werte und ethischen Regeln sowie die sozialen und ökologischen Standards auch im digitalen Raum gelten.“ (S. 10)
Box 1: Europäische Technologiesouveränität zur Verteidigung europäischer Werte
Quellen: Schreiben der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen (2019a, 2019b, 2019c).
Dies sind begrüßenswerte Ambitionen, aber sie sind weder neu noch exklusiv auf Europa beschränkt. Zudem werden derartige Ambitionen geäußert, wo man detaillierte Definitionen und Gesetzesvorschläge erwarten würde. Wenn an dieser Art wertbasierter Politikgestaltung etwas stört, dann ist es der Beigeschmack von leerer politischer Effekthascherei. Im gegenwärtigen europapolitischen Kontext soll die Idee gemeinsamer europäischer Werte ein großes Paket neuer Rechtsvorschriften zu Daten, künstlicher Intelligenz, Industriepolitik, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und den Binnenmarkt leiten. Darüber hinaus sollen diese europäischen Werte auf regulatorische Standards, das öffentliche Beschaffungswesen und die Handelspolitik Einfluss nehmen – und zwar zusammen mit dem politischen Ziel, den globalen Einfluss Europas und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrien zu verbessern. Eine ähnliche politische Motivation trat beim Versuch der EU, eine EU-weite Sondersteuer auf bestimmte digitale Dienste einzuführen, zutage – obwohl das gegenwärtige Unternehmenssteuerrecht in den EU-Staaten vor allem nicht-digitale Unternehmen (wie z.B. wie Finanzdienstleister und Automobilunternehmen) dazu befähigt, Steuerlasten deutlich zu reduzieren. Ein weiteres Beispiel dafür, wie europäische Werte das politische Denken prägen, war der Versuch der neuen Kommission, einen Kommissar für den Schutz unserer „europäischen Lebensweise“ („Schützen, was Europa ausmacht“) zu installieren.
Auch in ihren übergeordneten politischen Leitlinien für die neue Europäische Kommission stellte Ursula von der Leyen fest, dass „[i]n diesem Bereich [Schutz der Souveränität des Einzelnen und Gewährleistung der vollen Kontrolle über die eigenen Daten] Europa von einer Position gemeinsamer Stärke aus gehandelt hat. Und das zeichnet Europa aus.“ Unter Bezugnahme auf eine der wichtigsten politischen Errungenschaften der Juncker-Kommission, die Annahme einer noch immer nicht vollständig harmonisierten EU-Datenschutzverordnung, forderte die neue Kommissionspräsidentin die Bereitschaft der Europäer, „unseren europäischen Weg weiterzugehen, den Datenfluss und die breite Nutzung von Daten abzuwägen und gleichzeitig hohe Vertraulichkeit, Sicherheit und ethische Standards zu erhalten. Wir haben dies mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bereits erreicht und viele Länder sind unserem Beispiel gefolgt“ (von der Leyen 2019d). In der Debatte über eine europäische Technologiesouveränität hörte man ähnliche Aussagen von Politikern aus den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Die erklärten Motive der europäischen Politiker für Digitalstrategien: Kultur
Quelle: ECIPE.
Ein gutes Beispiel dafür, dass es in Gesetzgebungsprozessen regelmäßig nicht um konsitstente Abwägungen zwischen wirtschaftlicher Freiheit auf der einen Seite und europäischen Werten auf der anderen Seite geht, ist die Debatte über die neuen wirtschaftspolitischen Leitlinien, die die Europäische Kommission im Februar 2020 vorstellte. Darin bestätigt die Kommission formell die allgemein positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf die europäischen Gesellschaften. Die Kommission erkennt ferner an, dass in der EU erhebliche Investitionen nötig seien, um die Lücken gegenüber China und den USA zu schließen. Bemerkenswert ist jedoch, dass verschiedene Kommissionsdokumente unterschiedliche und vor allem inkonsistente Strategien zur Erreichung dieser Ziele vorweisen, was darauf hindeutet, dass es bereits schwerwiegende Konflikte zwischen verschiedenen Werten und „Regulierungskulturen“ innerhalb der Europäischen Kommission gibt. Während der (französische) Binnenmarktkommissar eine eher interventionistische Datenstrategie darlegte, stellte die (dänische) Kommissarin für Wettbewerb und digitale Strategie in ihrer jüngsten Digitalstrategie und dem Weißbuch über künstliche Intelligenz liberalere Ansätze vor. Auch die jüngsten Diskussionen über eine Neuausrichtung der europäischen Wettbewerbspolitik zeigen, dass es in Wettbewerbsfragen ähnliche Konflikte innerhalb und zwischen den EU-Mitgliedstaaten gibt.
Das Konzept von Kommissarin Vestager zielt zwar darauf ab, den Wettbewerb innerhalb Europas anzukurbeln, Markt- und Datenkonzentrationen zu vermeiden und mehr Chancen für Unternehmen zu schaffen, damit diese von einer globalen technologischen Revolution profitieren können. Kommissar Breton scheint jedoch mehr Aussichten auf Erfolg in einem Ansatz zu sehen, der Chancen lediglich für etablierte Unternehmen schafft, die in den Genuss des Schutzes durch EU-Gesetzgebung vor ausländischer Konkurrenz kommen würden. Die Datenstrategie von Kommissar Breton beinhaltet beispielweise die Idee der Schaffung eines europäischen Datenraums, der die Beteiligung ausländischer Anbieter von Datendiensten einschränken könnte. Es wird festgestellt, dass es „für den Zugang […] und die Verwendung von Daten […] einen offenen, aber entschlossenen Ansatz für internationale Datenflüsse gibt, der auf europäischen Werten basiert“ (Europäische Kommission 2020c, S. 5). Ein europäischer Datenraum würde, so heißt es, die Sicherheit und das Vertrauen in Daten verbessern und „den Unternehmen in der EU die Möglichkeit geben, auf der Größe des Binnenmarktes aufzubauen“ (S. 17), und gleichzeitig die Eigentümer von industriellen Daten anregen, diese Daten zu teilen. Da einige der größten Verarbeiter von industriellen Daten der Welt in Europa beheimatet sind, geht man in Brüssel von positiven Effekten in diesem Bereich nur dann aus, wenn es ein höheres Maß an politischer Kontrolle über die europäische Dateninfrastruktur gibt.
Gerade auch die Speicherung von Daten ist zu einem Schreckgespenst für diejenigen in der Politik geworden, die der Meinung sind, dass die aktuell am Markt verfügbaren Lösungen die europäischen Werte nicht respektieren würden. Radikale, oder zumindest stark polarisierende, deutsche Datenschutzbeauftragte fielen jüngst mit dem Vorschlag auf, sämtliche Daten, die gegenwärtig in den USA gespeichert werden, in die EU zu überführen. Die deutsche Bundesregierung und die Regierung Frankreichs wollen basierend auf dem Werte-Argument nun mit Gaia-X eine Cloud-Computing-Plattform europäischen Ursprungs schaffen, aus deren Rahmen sich schließlich ein europäischer Regulierungsstandard ergeben könnte (siehe z. B. Bitkom 2019b). Interessant is in diesem Zusammenhang auch die Perspektive den Bundeswirtschaftsministeriums: Das Wirtschaftsministerium begreift in seinen Grundsatzdokumenten für Gaia-X digitale Souveränität „als die Möglichkeit einer unabhängigen Selbstbestimmung für Staat und Organisationen hinsichtlich der Nutzung und Strukturierung digitaler Systeme selbst, der in ihnen erzeugten und gespeicherten Daten und der in der Folge abgebildeten Prozesse.“ Gaia-X soll „vor allem Lösungen unter dem Aspekt der Datenhoheit, also die vollständige Kontrolle über gespeicherte und verarbeitete Daten und auch die unabhängige Entscheidung darüber, wer Zugriff darauf haben darf, bringen.“ (BMWI 2020a). Viele Befürworter der Initiative suggerieren, dass dies der Ausgangspunkt für eine Cloud-Plattform ist, die europäischen Werten besser entspräche als alles was an ähnlichen technologischen Lösungen gegenwärtig am Markt angeboten wird.
Das ist höchst fragwürdig. Es bleibt unklar, welches konkrete Marktproblem eine „europäische“ Plattform wie Gaia-X überhaupt lösen sollte und könnte. Schließlich ist die Idee, einen europäischen Datenraum zu schaffen, auch keineswegs neu. Einige wenige politisch einflussreiche europäische Großunternehmen und mit ihnen nationale Regierungen haben in den vergangenen Jahren ähnliche Ideen vorangetrieben, z. B. einen „Schengenraum für Daten“. Gleichwohl sind EU-Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des freien Datenflusses im EU-Binnenmarkt (DSGVO und Verordnung über den freien Verkehr nicht personenbezogener Daten) bereits in Kraft. Es gibt zudem nur wenige gesetzliche Ausnahmen, welche den Datenfluss unter hohen Anforderungen aus der EU in die übrige Welt gestatten.
Wichtiger ist in dieser Debatte jedoch, dass europäische Unternehmen und Behörden bereits heute frei entscheiden können, wie und wo sie ihre Daten speichern wollen, z. B. innerhalb der eigenen Organisation oder bei Externen im Inland oder im Ausland. Es gibt Hunderte (wenn nicht Tausende) sog. Cloud-Anbieter, die versprechen, Daten ausschließlich innerhalb der EU-Mitgliedstaaten zu speichern, z. B. Nextcloud und Owncloud (Stackfield 2019). Die Europäer haben tatsächlich wesentlich mehr Auswahl als die Politik zugeben will, was den Ort und die Art der Speicherung ihrer Daten betrifft. Die treibende Kraft hinter Debatten wie jener um die europäische Cloud scheint eher darin zu liegen, ein vermeintliches kommerzielles Problem zu lösen: Viele der beliebtesten Unternehmen im Bereich der Datenspeicherung und -Verarbeitung sind in Ländern außerhalb der EU ansässig. Die protektionistischen Reaktionen auf diesen Erfolg von Seiten einiger europäischer Politiker kommen daher nicht überraschend. Neu ist allerdings der politische Wille in einigen EU-Mitgliedstaaten und in Brüssel, den wiederholten Forderungen einiger nationaler europäischer Großunternehmen nachzugeben und Markt- und Wettbewerbsregeln zu deren Gunsten zu beeinflussen.
Man muss in dieser Debatte auch berücksichtigen, dass sich Deutschland im Bereich des Datenschutzes nicht sehr von anderen Ländern unterscheidet – in den meisten Ländern weltweit wollen Bürger die Integrität ihrer Daten geschützt wissen. Die meisten OECD-Länder haben bereits hohe Standards für Datenschutz und Datensicherheit oder sind auf dem Weg dorthin. Deutsche und Europäer können sich in ihrem Streben nach Datenintegrität bereits heute auf kommerzielle Lösungen aus einer Vielzahl ihrer Partnerländer verlassen. Darüber hinaus verhalten sich die meisten Akteure, darunter europäische Regierungen und Industrieunternehmen, wesentlich geschickter in Bezug auf die Datensicherheit. Sie arbeiten mit mehreren Anwendungs- und Sicherheitsanbietern zusammen. Eine solche Strategie macht es jenen, die Daten illegal abgreifen, fast unmöglich, diese zu verwerten. Diejenigen, die Daten speichern, die unter europäische Datenschutzvorschriften fallen, schließen zudem routinemäßig Verträge über Strategien zur Einhaltung dieser Vorschriften mit ihren Cloud-Anbietern. Diese Verträge beruhen selten darauf, dass die Datenspeicherung nur in einem Gebiet erfolgen kann, aus dem einfachen Grund, dass stärker international verteilte Daten weniger konzentriert und daher weniger gefährdet sind. Datenlokalisierung, wie sie von einigen Politikern (z.B. in Russland und Indien) befürwortet wird, ist aus diesem Grund nicht mit IT-Sicherheit gleichzusetzen. Die Sicherheit der Daten hängt von den implementierten Sicherheitsmechanismen und -kontrollen ab, nicht aber von der Lokalisierung der Daten in einem bestimmen Land.
Es ist daher bemerkenswert, wie schnell einige politische Entscheidungsträger zu dem Schluss kommen, dass radikale Maßnahmen erforderlich seien, um eine fiktive Souveränität über Daten zu schaffen. Sie bestärken damit die irreführende Ansicht, dass sich Länder oder ganze Regionen wie die EU von der übrigen Welt abschotten müssten, um größere digitale Autonomie zu erreichen. Das Gegenteil ist richtig: Die digitale Souveränität der Bürger und Unternehmen beruht auf der Fähigkeit, Zugang zu wichtigen Diensten zu haben und selbständig in der Lage zu sein, über diese Dienste bestmöglich Bescheid zu wissen, und sie so zu nutzen dass sie im Einklang mit Grundfreiheiten und -rechten wirtschaftliche und soziale Entwicklung zulassen und fördern.
Befürworter europäischer Datenräume argumentieren oft auch, dass der US CLOUD Act von 2018 umfangreiches Snooping und Massendatenüberwachung personenbezogener Daten durch US-Strafverfolgungsbehörden ermöglicht. Auch diese Ansicht ist übertrieben und irreführend (siehe Box 2). Sowohl die europäischen Institutionen als auch nationale Regierungen drängen gegenwärtig auf eigene Rechtsvorschriften, um bei ihren strafrechtlichen Ermittlungen einen effektiveren Zugriff auf im Ausland gespeicherte Daten zu erhalten. Dazu führt die EU schon länger Verhandlungen mit US-Behörden über einen EU-US-Cloud-Rahmenvertrag, der von der Bundesregierung grundsätzlich befürwortet wird (Deutscher Bundestag 2019). Ein solcher Vertrag würde europäischen Behörden den rascheren Zugriff auf elektronische Beweismittel (oder Daten) in strafrechtlichen Ermittlungen ermöglichen. Frankreich, Deutschland und die Europäische Kommission haben signalisiert, dass sie in ihren Ambitionen mit den USA grundsätzlich übereinstimmen und dass es notwendig sei, den Datenaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden zu beschleunigen, die legitime Anfragen zu in einem anderen Land gespeicherten Daten haben (Europäische Kommission 2019a).
Auch das erscheint sinnvoll. Der Einsatz für eine regelbasierte internationale Ordnung dient den Interessen der EU als offene und exportorientierte Ökonomie. Ein EU-US-Cloud-Rahmenvertrag, der die Aufklärung schwerer Verbrechen unterstützt, wäre in Europas Interesse. Doch die EU-US-Verhandlungen stocken und die EU hat nach wie vor keine klare Verhandlungsposition, etwa einen angenommenen EU-Gesetzesvorschlag für elektronische Beweismittel. Die USA erzielten dagegen bereits Fortschritte bei CLOUD-Act-Vereinbarungen mit nicht-EU-Ländern, z. B. durch ein neues Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA und die Vereinbarung zwischen den USA und Australien (USDJ 2019a; 2019b).
Box 2: US CLOUD Act, DSGVO und der zukünftige EU-US-Vertrag zum Austausch von elektronischen Beweisen
3.1.2. Kontrolle
Der unter dem Begriff Kontrolle zusammengefasste Erklärungsstrang in der Diskussion um europäische Technologiesouveränität hat seinen Ursprung im Wunsch von Teilen der Politik, neue Technologien, digitale Dienste und digitale Plattformen zu kontrollieren, die in Europa generierte Daten nutzen und speichern. Hier besteht auch ein Zusammenhang zu anderen politischen Zielen rund um das Thema Datenschutz. Im Kern geht es jedoch darum, dass der Erfolg von ausländischen Technologieunternehmen, Online-Plattformen und Cloud-Anbietern in der EU als eine Quelle von Instabilität für einige heimische Unternehmen und die Datenintegrität angesehen wird. Europäische Unternehmen und Behörden werden dabei gemeinhin als Opfer „ausländischer Technologiekonzerne“ betrachtet. Es heißt ferner, die Europäer wären gezwungen, ausländische Technologien und Dienste zu nutzen, weil es keine europäischen Optionen gibt.
Von Vorschriften und Kontrolle geprägte Politikansätze beruhen häufig auf einem staatszentrierten, interventionistisch motivierten Zugang zu Wirtschaft und Digitalisierung. Die Mit Blick auf Digitalisierung manifestiert sich dies heute im Kern in der Vorstellung, die digitale Transformation hätte bisweilen dazu geführt, dass europäische Firmen weltweit weniger konkurrenzfähig und europäische Regierungen weniger in der Lage sind, die Marktergebnisse und den technologischen Wandel zu kontrollieren. Häufig wird von der Politik suggeriert, dass insbesondere europäische Blue-Chip-Unternehmen den globalen Tech-Giganten gegenüber zurückfallen und dass es zwangsläufig zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit für Europa insgesamt käme, wenn die industriellen Kernländer Europas immer stärker von Daten und Dienstleistungen nicht-europäischer Unternehmen abhängig werden. Viele dieser Argumentationslinien werden von französischen Politikern angeführt. Und viele dieser Argumente finden auch in Brüssel Gehör (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Die erklärten Motive der europäischen Politiker für Digitalstrategien: Kontrolle
Quelle: ECIPE.
Ähnliche Wahrnehmungen werden zum Beispiel in der jüngsten datenpolitischen Strategie der Europäischen Kommission reflektiert. Die Kommission hat sich darin (recht abstrakt) zum Ziel gesetzt, die EU führend bei Dateninnovation zu machen. Die Kommission will dafür auch selbst gleich mehrere Milliarden an EU-Steuergeldern für die Replizierung von Dateninfrastrukturen ausgeben, die bereits existieren. Eine „Schlüsselmaßnahme“, die in der jüngsten Datenstrategie skizziert wird, sind Investitionen in europäische Datenräume, welche Architekturen für den Datenaustausch umfassen (Standards für den Datenaustausch, Best Practices, Tools) und „Governance-Mechanismen“. Geredet wird auch von einer „europäischen Förderalisierung“ (federalising) energieeffizienter und vertrauenswürdiger Cloud-Infrastrukturen (Infrastructure-as-a-Service, Platform-as-a-Service und Software-as-a-Service), um so Investitionen in Höhe von „4–6 Mrd. €“ zu ermöglichen, von denen die Kommission „2 Mrd. € investieren könnte“. (Europäische Kommission 2020c, S. 16)
Brüssel sollte nicht erwarten, dass europäische Unternehmen durch eine dirigistische – von der Regierung gelenkte – Politik innovativer werden. Die Volkswirtschaften Europas werden kaum in der Breite innovativer werden, wenn Milliarden an Steuermitteln für politisch motivierte wohlklingende Projekte ausgegeben werden. Gleiches gilt für Verpflichtungen zur Weitergabe und zum Teilen von Daten, wie die, die auch von der Kommission zur Diskussion gestellt wurden. Diese würden das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich beabsichtigt ist. Im Weißbuch der Europäischen Kommission über Daten wird argumentiert, dass generell „Daten für alle verfügbar sein sollten“. Die Kommission nimmt ihre eigene Forderung jedoch selbst nicht allzu ernst. Wenige Zeilen unterhalb dieser radikalen Vision eines vollkommen offenen europäischen Datenraums wird argumentiert, dass Daten „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“ sein sollten. EU-Kommissar Breton erklärte ferner: „[w]enn wir über Datenaustausch sprechen, geht es dabei nicht um wesentliche Daten, weil Unternehmen das nie tun würden – und das zu Recht“ (Politico 2020b). Tatsächlich sind viele Unternehmen nicht bereit, Daten wie Geschäftsgeheimnisse, die für ihr wirtschaftliches Überleben unerlässlich sind, weiterzugeben. Ein ähnlicher Befund kann auch für öffentliche Institutionen getroffen werden, von denen bekannt ist, dass Kooperation und Arbeitsteilung und vor allem auch der Austausch von Informationen nur sehr schleppend und in vielen Fällen überhaupt nicht funktioniert, schon gar nicht grenzüberschreitend.
Seit einiger Zeit gibt es zunehmend Befürchtungen über das geringe Tempo der Digitalisierung in Europa, insbesondere auf Unternehmensseite. Zwar gibt es in Europa viele multinationale Unternehmen, die sich an der Spitze der digitalen Transformation befinden, viele KMU haben es bisher jedoch versäumt, digitale Chancen zu nutzen und notwendige Investitionen zu tätigen. Statt den Erfolg ausländischer Unternehmen anzuprangern, sollte die Politik anerkennen, dass Europa insgesamt bei Schlüsselindikatoren für die Einführung digitaler Technologien hinter vielen anderen Industrieländern zurückbleibt (siehe auch Abbildung 2 oben).
Der Begriff der digitalen Souveränität wird auch in diesem Zusammenhang interessant. Aus der jüngeren Forschung gehen zwei Dinge klar hervor. Erstens haben viele europäische Unternehmen, darunter auch Unternehmen mit Sitz in Deutschland, gegenwärtig gar nicht die Möglichkeiten, durch Forschung und Entwicklung digitale Technologien und Geschäftsmodelle zu etablieren, geschweige denn mit ihnen an der (Welt-)Spitze zu stehen. Es gibt große Probleme bei der Verfügbarkeit von Fachkräften und Technologien, die bei modernen digitalen Diensten benötigt werden, und es fehlt in vielen (nicht-digitalen) Bereichen ein einheitlicher europäischer Markt, der benötig wird, damit Unternehmen international wettbewerbsfähig werden können. EU-weit herrscht ein Mangel an Humankapital (IT-Kompetenzen) und es existieren nach mehr als 30 Jahren formeller Binnenmarktpolitik immer noch unzählige politische Barrieren für die Erbringung von Dienstleistungen über europäische Grenzen hinweg.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Entwicklung und der Einsatz von Technologien für künstliche Intelligenz in den USA am weitesten fortgeschritten sind, dort gibt es die höchste Zahl an Patentanmeldungen und die größte Anzahl von Mitarbeitern (rund 850.000). China verzeichnet derzeit das größte Wachstum im Feld der künstlichen Intelligenz. Deutschland ist hinsichtlich Anwendung von künstlicher Intelligenz eher ein Industrienachzügler. Eine Bitkom-Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 68 Prozent der befragten Unternehmen die deutsche Wirtschaft als Nachzügler oder technologisch rückständigen Anbieter im Bereich künstlicher Intelligenz einstuften. Nur 6 % der Befragten sehen Deutschland als Weltmarktführer oder in der Spitzengruppe. Gleichzeitig gaben 60 % der befragten deutschen Unternehmen an, dass Anwendungen der künstlichen Intelligenz von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit sind, 62 % bewerteten die künstliche Intelligenz als wichtigste Zukunftstechnologie und 78 % bestätigten, dass künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle für den Erfolg im globalen Wettbewerb spielt. Bemerkenswert ist auch, dass der Einsatz von KI-Systemen für KMU eine deutlich größere Herausforderung darstellt als für große deutsche Unternehmen (Technologiestiftung 2020; Bitkom 2019a). Eine Umfrage von PWC (2019) bestätigt, dass nur 4 % der befragten Unternehmen bereits KI-Systeme nutzen. Weitere 19 % planen, den Einsatz von KI-Systemen zu testen und umzusetzen, wobei KMU unterrepräsentiert sind.
Es gibt in Deutschland und Europa insgesamt einen erheblichen Mangel an Computeringenieuren und Arbeitskräften mit marktnahen (d.h. stark nachgefragten) IT-Kompetenzen, z. B. in Bereichen der künstlichen Intelligenz. Der Mangel an ausgebildeten Fachkräften sorgt für eine Kluft insbesondere zwischen großen multinationalen Unternehmen (die auf internationale Fachkräfte und eingekauftes Fachwissen zurückgreifen können) und den kleineren heimisch orientierten Unternehmen. In Deutschland ist die Fachkräftesicherung daher auch ein zentrales Thema in Wirtschaft und Politik. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass es Unternehmen an IT-Spezialisten mangelt, die für die Einführung wichtiger digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz benötigt werden. 56 % der befragten Unternehmen, die in Produktinnovation investieren wollen, halten den Fachkräftemangel für das größte Geschäftsrisiko (DIHK 2020).
Aus diesen Beobachtungen ergeben sich klare politische Implikationen. Das Abschotten Europas gegen ausländische Anbieter gehört nicht dazu. Im Gegenteil, ohne sie wären die Bürger und Unternehmen Europas weniger souverän, wenn es bei Souveränität darum geht, Zugang zu digitalen Technologien und wirtschaftlichen Chancen zu ermöglichen und zu nutzen. Im Bereich Daten sollten deutsche wie auch andere europäische Politiker deshalb darauf hinarbeiten, viel mehr öffentliche Daten freier zugänglich zu machen und dann den Bürgern die Nutzung der besten verfügbaren Infrastrukturen und Software-Tools ermöglichen, um die nächste Welle von Dateninnovationen zu und -dienstleistungen fördern.
Zweitens, und damit zusammenhängend, EU-Mitgliedstaaten können ihre eigenen Produktions- und Innovationskapazitäten deutlich verbessern, indem die Politik Hindernisse für die grenzüberschreitende Bereitstellung digitaler Dienste verringert. Dafür bedarf es keine neue europäische digitale Agenda, sondern eine Agenda für „nicht-digitale“ Sektoren, die von einem Digitalisierungschub profitieren würden, insbesondere in wertschöpfungsintensiven Dienstleistungsbereichen wie dem Gesundheitswesen, aber auch in regulierten Berufen (Professionen). Unternehmensstatistiken zeigen, dass das eigene Wachstum für Unternehmen in der EU schwieriger ist als für Unternehmen in den USA. Die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter eines großen US-Unternehmens ist etwa doppelt so hoch wie die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter eines großen Unternehmens mit Sitz in der EU. Diese Zahlen zeigen, dass es in der Vergangenheit für US-Unternehmen in der Regel einfacher war zu wachsen als für Unternehmen in der EU. Und an dieser Situation scheint sich wenig geändert zu haben: Von den 10 führenden Unternehmen in den USA sind fünf weniger als 20 Jahre alt, während alle 10 führenden Unternehmen in Europa mehr als hundert Jahre alt sind (CSIS 2020). Im Vergleich zu Unternehmen in der EU profitieren US-Unternehmen von viel weniger (unterschiedlichen) rechtlichen Barrieren im eigenen Markt und damit von einem einfacherem Zugang zu einer größeren US-Kundenbasis (Tabelle 3). Mit anderen Worten: Der Binnenmarkt der Vereinigten Staaten ist viel vollständiger als der gemeinsame Markt der 27 EU-Mitgliedstaaten. Ähnliches gilt für China. Eine neue Initiative zu viel mehr Binnenmarkt – ggf. unter einer zukunftsorientierten Koalition der Willigen – wäre daher als die vielversprechendste Initiative hin zu größerer Technologie- und Industriesouveränität Europas zu begrüßen.
Tabelle 3: Die deutliche Produktivitätslücke in der EU
Quelle: ITIF (2019).
Die meisten Unternehmen in Deutschland und in der EU sind KMU. Die Unternehmensstatistiken zeigen jedoch auch, dass es in den USA trotz einer deutlich geringeren Gesamtbevölkerung eine weitaus größere Zahl von KMU gibt als in der EU. Auch bereinigt um die Größe der Erwerbsbevölkerung ist die Zahl der KMU in der EU deutlich geringer als in den USA. Das „KMU-Defizit“ der EU bei großen KMU (50 bis 249 Beschäftigte) beträgt 36 %, während das KMU-Defizit der EU bei mittleren KMU (20 bis 49 Beschäftigte) 25 % beträgt (Tabelle 4).
Tabelle 4: Die deutliche KMU-Lücke in der EU im Vergleich zu den USA
Quelle: ECIPE (2020).
Eine deutliche Stärkung des Europäischen Binnenmarkts würde mittelfristig zu einer Verringerung dieser Unterschiede auch bei KMU führen. Ein gestärkter Binnenmarkt würde auch die Kluft zwischen den an der Spitze stehenden europäischen Unternehmen und jenen, die sich gegenwärtig an der Spitze befinden, schließen – auch bei deutschen Unternehmen. Er würde es innovativen europäischen KMU und Start-ups ermöglichen, entsprechend ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu wachsen und international wettbewerbsfähiger zu werden. Ein gestärkter Binnenmarkt, der Unternehmertum und Investitionen fördert, würde auch die Wahrscheinlichkeit „radikalerer Innovationen“ erhöhen und beitragen, die Produktivitäts- und Wohlstandslücke West- und Osturopas im Vergleich zu den USA zu schließen: Neue oder junge Unternehmen entwickeln und nutzen radikale Innovationen eher nutzen als große und/oder bereits lange etablierte Unternehmen.[2]
Auch die neue Europäische Kommission betont die Bedeutung eines echten europäischen Binnenmarktes. In ihrem Bericht über Binnenmarktschranken 2020 bestätigt die Kommission die Kosten eines „Nicht-Europa“ und skizziert eine Reihe von politischen Hindernissen. Sie hebt außerdem den Widerstand der EU-Mitgliedstaaten gegen die Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung von EU-Richtlinien hervor (Europäische Kommission 2020f). Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Beobachtungen Teil einer schlagkräftigen Agenda für die Wiederbelebung des Binnenmarktes sein werden – oder wieder einmal nicht mehr als politische Lippenbekenntnisse.
Auch EU-Kommissarin Vestager hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es immer noch keinen echten europäischen Binnenmarkt gibt, und betont, dass die fragmentierten nationalen Rechtsvorschriften maßgeblich zur mangelnden europäischen Performance in der digitalen Industrie beitragen. In ihrer Eröffnungserklärung bei der Anhörung des Europäischen Parlaments im Oktober 2019 zu einem „Europa fit für das digitale Zeitalter“ lobte sie den Binnenmarkt und die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft. Sie argumentierte, dass „unser Binnenmarkt europäischen Unternehmen Raum gibt, zu wachsen und innovativ zu sein und bei dem, was sie tun, die Besten der Welt zu sein“ (Vestager 2019). Vestager erklärte auch, dass „wir uns bei zunehmend härterem globalem Wettbewerb stärker um gleiche Wettbewerbsbedingungen bemühen müssen […], weil die Europäer eine Wirtschaft verdienen, in der Unternehmen im Dienst am Kunden konkurrieren, nicht im Kampf um größere Subventionen von der Regierung.“
Im Februar 2020 griff EU-Kommissarin Vestager dies nochmals auf und sagte: „einer der Gründe, warum wir kein Facebook und kein Tencent haben, ist, dass wir den europäischen Unternehmen nie einen vollen Binnenmarkt gegeben haben, in dem sie sich vergrößern können […] Wenn wir einen neuen Anlauf nehmen, müssen wir zumindest dafür sorgen, dass Sie einen echten Binnenmarkt haben“ (Politico 2020c).
Die deutsche Bundesregierung scheint auch die Notwendigkeit zu sehen, den europäischen Binnenmarkt zu retten und zu stärken. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier rückte den Binnenmarkt in den Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020: „Ich möchte die EU als einen Wirtschaftsraum stärken, der wettbewerbsfähig ist und weltweit agiert. Gerade in Zeiten internationaler Handelsstreitigkeiten müssen wir den europäischen Binnenmarkt stärken und gleichzeitig im Bemühen um ein regelbasiertes Handelssystem einen gemeinsamen Standpunkt vertreten […]“ sagte Altmaier im Juni 2020 (BMWI 2020b).
Die politischen Entscheidungsträger in vielen europäischen Hauptstädten haben sich in der Vergangenheit gegen die Entwicklung eines echten und tiefen Binnenmarkts ausgesprochen, und zwar, weil dies einen Verlust an Kontrolle oder nationaler politischer Souveränität bedeuten würde. So haben beispielsweise unter der Juncker-Kommission regulatorische Barrieren in vielen Dienstleistungsbranchen der EU zugenommen oder wurden von der Europapolitik ausgeklammert – im Bewusstsein um die Aussichtlosigkeit der Reformvorhaben aufgrund des Widerstands der Regierungen einiger EU-Mitgliedstaaten. Die betrifft vor allem auch in Sektoren, die für den grenzüberschreitenden Handel in der EU relevant sind und die von Digitalisierung und Produktivitätswachstum profitieren würden. Die Regierungen der Mitgliedstaaten verteidigten die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in vielen Sektoren und verzichteten in der Regel auch nicht auf eigene nationale Vorschriften bei der Umsetzung von EU-Richtlinien (EU Directives). In Zukunft einen tieferen und inklusiveren Binnenmarkt „à la carte“ zu verfolgen, würde vielen Europäern wahrscheinlich kurz- bis mittelfristig mehr Technologiesouveränität beschweren, als am gegenwärtigen Modus der Integration aller festzuhalten.
Die Fokus der Juncker-Kommission auf vermeintliche digitale Barrieren hat ein weiteres Problem geschaffen. Die aktuelle politische Rhetorik und die jüngsten Mitteilungen der Europäischen Kommission zeigen, dass die politischen Führer Europas die Notwendigkeit der Umsetzung vollständig harmonisierter „EU-Handelsregeln“ in einem echten gemeinsamen europäischen Markt noch immer weitgehend ignorieren oder ablehnen. Mit dem politischen Werben für eine politisch „einfach zu verkaufende“ Digitalstrategie lenkte die Juncker-Kommission früh die öffentliche Aufmerksamkeit und mit ihr das politische Kapital weg von den strukturellen Problemen des Binnenmarktes. Die EU-Regierungen nutzten ihre nationalen Kompetenzen weiter, um EU-Richtlinien (und zum Teil auch EU-Verordnungen, die ja „eigentlich“ harmonisieren sollen) umzusetzen, die insgesamt zu mehr Unterschieden (regulatorische Schichten) bei den Gesetzen innerhalb der EU und in der Folge zu mehr Verwirrung und Unsicherheit für Unternehmen und Verbraucher führten. Ein stärkerer Binnenmarkt würde auch bedeuten, dass sich Länder – also Unternehmen und Bürger – stärker voneinander abhängig machen, was der Realität der modernen Wirtschaft und der internationalen Arbeitsteilung entspricht. Vor diesem Hintergrund ist für eine zukunftsorientierte Politik – in Brüssel und den Mitgliedsstaaten der EU – auch die folgende Erkenntnis wichtig: Kein Unternehmen kann in allen Bereichen hervorragend oder gar führend sein. Regelmäßig muss auf Vorleistungen anderer zurückgegriffen werden, um im eigenen Land oder international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ein aktuelles Beispiel für eine Politik der Verordnung und Kontrolle in der EU-Digitalpolitik ist gegenwärtig im EU-Denkansatz über die künftige Regulierung künstlicher Intelligenz zu beobachten. Während auch Brüssel viele Vorzüge in der KI sieht, unter anderem im Umgang mit dem Coronavirus und zukünftigen Pandemien, war die Haltung anfangs oft defensiv, aus Angst, dass die Entwicklung zu unkontrollierbaren Ergebnissen und weiter zurückfallenden EU-Unternehmen führen könnte. Eine neue Idee, die auch in einigen europäischen Hauptstädten die Runde macht, ist, eine Art „Konformitätsbewertung“ für KI zu etablieren, im Grunde eine Vorabprüfung von Algorithmen und Einsatzgebieten, bevor sie in der EU vermarktet werden können (Europäische Kommission 2020e).
Eine solche Idee birgt zahlreiche Probleme: Es gibt in Europa generell einen Mangel an KI-Fachkräften und entsprechenden IT-Fähigkeiten, und dieser Mangel ist bei den staatlichen Behörden und Ministerien noch größer als in der Privatwirtschaft. Ex-ante-Tests von KI-Anwendungen würden daher sehr wahrscheinlich zu einer zeitraubenden Angelegenheit werden, die den Markteintritt von Technologien innerhalb der EU-Mitgliedstaaten verlangsamen würde und die europäische Industrie behindern würde, ihre Leistung und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Ein bürokratisches EU-KI-Testsystem wäre beinahe Garantie dafür, dass Europa im globalen KI-Wettlauf immer mehr hinter den USA und China zurückbleibt. Das vorgeschlagene System würde unweigerlich negative Rückkopplungseffekte auf nachgelagerte Sektoren haben. Wie im EU-Scoreboard für F&E-Investitionen 2019 dargestellt: „Big Data und KI können in den meisten Sektoren [der Wirtschaft] breit angewendet werden. Auf Sektorebene werden KI und Big Data auch am häufigsten als hoch relevant für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit angesehen“ (Europäische Kommission 2019c).
Ein weiteres Problem ist, dass das vorgeschlagene System der EU die Möglichkeit bieten würde, den Marktzugang für KI-Anwendungen aus anderen Ländern zu verweigern. In der Wirtschaftsforschung weiß man seit Langem, dass Lizenzierungsverfahren starke negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und das dynamische Marktverhalten haben – und auch bei KI-Lizensierungen würden diese Risiken sichtbar werden. Bei fehlenden KI-Kompetenzen auf Seiten der Behörden besteht auch die Gefahr, dass die Prüfungen ausländischer KI-Anwendungen an Unternehmen in Europa ausgelagert werden, die Wettbewerber der Unternehmen sind, die eine KI-Lizenz für die EU beantragen. Diese Lösung wird bereits von der Politik in Erwägung gezogen. Dies stünde allerdings im Widerspruch zur EU-Politik zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und von Geschäftsgeheimnissen, die gerade für die wissensbasierten Volkswirtschaften Europas, wie auch Deutschland, von zentraler Bedeutung sind. Ähnliche Verfahren für deutsche Maschinen- oder Autobauer außerhalb der EU würden sicherlich zu einem Aufschrei bei deutschen Unternehmen führen.
Ex-ante-Konformitätsbewertungen wären darüber hinaus ein (Fehl-)Anreiz für deutsche und europäische Unternehmen, ihren Sitz in andere Länder zu verlagern, höchstwahrscheinlich in die USA, wo sie sofort nach erfolgreichen Entwicklungen mit Vermarktungsaktivitäten beginnen könnten, anstatt auf eine langwierige Markt-Zulassung warten zu müssen. Das geringe KI-Know-how der EU würde dann nur noch zum Testen von KI-Innovationen verwendet werden, die anderswo entwickelt wurden. Nicht-EU-Technologieunternehmen würden ihre Aktivitäten in der EU aufgrund hoher Compliance-Kosten, bürokratischer Hürden und der Gefahr überdenken, dass ihr Wissen in die Hände potenzieller Wettbewerber fällt. Aus dynamischer Sicht würden verpflichtende Konformitätsbewertungen die Investitionslücken in der EU in Forschung und Entwicklung weiter erhöhen und negative Auswirkungen auf europäische Unternehmen haben, die an der Anwendung von Big Data- und KI-Lösungen gehindert werden.
Ein besserer Weg zu einer wirksamen Form der Kontrolle besteht in der Zusammenarbeit mit außereuropäischen Regierungen, die die Ansichten der EU-Mitgliedstaaten über Rechte und damit verbundene Vorschriften teilen. Politisch auferlegte Lizenzverfahren spezifisch für die Länder der Europäischen Union erwecken lediglich den Anschein, man hätte die bestimmte Probleme im Griff, bieten aber reichlich Möglichkeiten, Marktregeln und Lizenzvergabeentscheidungen so zu beeinflussen, dass europäische Unternehmen faktisch noch weniger Möglichkeiten haben, mit modernen nicht-europäischen KI-Anwendungen wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben. Weniger Chancen und potenzielle Vergeltungsmaßnahmen für europäische Unternehmen auf außereuropäischen Märkten würden darüber hinaus in der deutschen Wirtschaft und der EU insgesamt zu einem weiteren, noch tiefgreifenderen Verlust an Autonomie von der (Europa-)Politik führen, die sehr häufig von nationalen protektionistischen Interessen aus nur wenigen (großen) EU-Mitgliedsstaaten aktiv gestaltet wird.
3.2. Europäische Reaktionen auf einen stärkeren internationalen (System-) Wettbewerb: Wettbewerbsfähigkeit, Standards und Marktregeln
Ein wichtiges Anliegen hinter den Forderungen nach technologischer Souveränität ist die Angst vor sinkender industrieller Wettbewerbsfähigkeit und internationaler Relevanz der EU-Politik – die zu weniger Einfluss auf die Gestaltung internationaler Standards für alte und neue Industrien führt.[3] Der wettbewerbszentrierte Ansatz spiegelt entsprechend die weit verbreitete, aber unangebrachte, Sorge der Politik wieder, dass Europa unweigerlich vor dem wirtschaftlichen und politischen Abstieg steht und dass der Status quo nur durch direkte und indirekte Unterstützung der europäischen Industrie in die Zukunft gerettet werden kann, wobei der Fokus der Politik oft auf Großunternehmen liegt. In diesem Abschnitt werden wir aktuelle Initiativen genauer betrachten, hinter denen derartige Ansichten und Absichten stehen. Einige mit diesem Ansatz in Verbindung stehende politische Forderungen und Perspektiven werden in Tabelle 5 skizziert.
Tabelle 5: Die erklärten Motive der europäischen Politiker für Digitalstrategien: Wettbewerbsfähigkeit
Quelle: ECIPE.
3.2.1. Klassische Industrieinitiativen
Politiker, die auf die „Notwendigkeit“ verweisen, echte europäische Industrie-Champions „schaffen“ zu müssen, neigen dazu, zu ignorieren, dass viele Unternehmen mit Sitz in der EU nach wie vor sehr starke globale Positionen in einer Vielzahl von Branchen innehaben. Ähnlich wie in den USA blieben die Spezialisierungs- und F&E-Aktivitäten der EU im letzten Jahrzehnt relativ stabil (Europäische Kommission 2019d). Brancheninformationen zeigen, dass die europäischen Unternehmen in den Bereichen Automobil, Umwelttechnologien und Maschinenbau nach wie vor besonders stark sind (siehe Abbildung 2). Darüber hinaus lassen politische Aussagen über das Fehlen von „europäischen Champions“ – ein häufiges Schlagwort in der Debatte über die europäische Technologiesouveränität – oft unerwähnt, dass viele erfolgreiche Technologie- und Internetunternehmen, die weltweit und EU-weit erfolgreich operieren, ihren Hauptsitz in der EU haben, z. B. Atos in Frankreich, SAP, Delivery Hero und Rocket Internet in Deutschland, Allegro in Polen, Spotify in Schweden, Wolt in Finnland und viele andere (siehe z. B. ECG 2020).
Zudem bewegen sich Unternehmen in traditionelleren Branchen, etwa Automobilhersteller, zunehmend in Richtung digitalisierter Geschäftsmodelle in ihren Produkt- und Dienstleistungsportfolios. Im Bereich des autonomen Fahrens arbeiten beispielsweise zahlreiche Akteure aus der EU mit internationalen Unternehmen zusammen und nehmen an Tests autonomer Fahrzeuge im Ausland Teil. Die Europäische Kommission hat eine solche internationale Zusammenarbeit für vernetzte und autonome Fahrzeuge zwar begrüßt. Das hat jedoch einige Unternehmen nicht davon abgehalten, europäische Beschränkungen für den Wettbewerb und den Marktzugang im Bereich des autonomen Fahrens in der EU vorzuschlagen (siehe z. B. El Referente 2019).
Trotz dieses doch recht erfreulichen Status quo der europäischen Wirtschaft und des allgemeinen Trends zur Digitalisierung traditioneller Industrien haben die Regierungen Frankreichs und Deutschlands bei der Gestaltung einer neuen „reinen“ EU-Industriepolitik eine Vorreiterrolle übernommen. Solche Motivationen sind zum Teil auf den relativen Rückgang der deutschen und französischen Wirtschafts- und Innovationstätigkeit im Vergleich zu globalen Aktivitäten zurückzuführen. Was technologischen Innovationen betrifft, so zeigen die Statistiken des EPA, dass die Anteile beider Länder an den Forschungs- und Patentierungstätigkeiten der EU27 seit mindestens 2010 zurückgegangen sind (Abbildung 3). Ein ähnlicher Trend ist bei den Patentierungsaktivitäten beider Länder im Vergleich zu den zehn wichtigsten patentintensiven nicht-EU-Ländern zu beobachten. Zu beachten ist in der Debatte aber auch, dass die Top 30 forschungsintensiven Unternehmen in Deutschland im Durchschnitt doppelt so innovativ sind wie die Top 30 forschungsintensiven Unternehmen in Frankreich (siehe Tabelle 9 Anhang). Dieses Muster könnte erklären, warum sich gerade die französische Regierung stärker für wettbewerbsfeindliche Konzepte für europäische Technologiesouveränität einsetzt.
Abbildung 3: Anteil der Patentanmeldungen Deutschlands 2010 und 2019
Quelle: eigene Berechnungen basierend auf Daten des Europäischen Patentamts.
Der französische Einfluss hat jüngst auch die diesbezüglichen Strategien der Europäischen Kommission geprägt. Beschwerden kleinerer Staaten über das Streben nach einer neuen europäischen Industriepolitik scheinen in Brüssel gleichzeitig ignoriert zu werden. Eine kürzlich gestartete Initiative unter der Führung der litauischen Regierung zielt darauf ab „zu verhindern, dass Brüssels Fokus auf eine neue Industriestrategie alles andere in den Hintergrund drängt“. Der litauische Wirtschaftsminister Marius Skuodis erklärte, der Binnenmarkt sei durch Diskussionen über die Industriepolitik der EU (Politico 2020d) an den Rand gedrängt worden. Die Regierungen von neun kleineren Mitgliedstaaten haben die große Bedeutung des Binnenmarkts als Reaktion auf eine „Industriepolitik für die Großen“ unterstrichen. Litauen wurde darin von Dänemark, Finnland, Schweden, Irland, Lettland, Estland, den Niederlanden und der Tschechischen Republik unterstützt. Die Regierungen dieser Länder haben in dieser Hinsicht recht. Versuche, nationale Industrien vor allem in den industriellen Kernländern der EU durch neue Gesetze zu schützen, bewirkten immer eine Schwächung europäischer Bestrebungen, offene und wettbewerbsorientierte Märkte zu schaffen – sowohl innerhalb der EU als auch in der EU-Handelspolitik.
3.2.1.1. Rufe nach europäischer Datenhoheit: Europäische Clouds
Angela Merkel warnte in einer Rede Ende letzten Jahres davor, dass in Europa „Abhängigkeiten“ von ausländischen Firmen – vorwiegend US-amerikanischen Technologieunternehmen – bestünden. Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier argumentierte ähnlich, dass Europa „einen Teil seiner Souveränität verliert“, wenn Unternehmen und Organisationen ihre Daten auf Cloud-Plattformen wie Amazon und Microsoft speichern müssen (CDU 2019). Die europäische Cloud-Initiative Gaia-X wäre eine „wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa“, sagte Altmaier, und fügte hinzu, dass ein in Europa betriebenes Cloudsystem zur „Wiederherstellung unserer digitalen Souveränität“ beitragen und als „Basis für ein digitales Ökosystem“ dienen würde (FT 2019).
Gaia-X entstand auf Initiative der deutschen Regierung und wurde später von der französischen Regierung unterstützt. Die jüngste europäische Cloud-Dateninitiative, die zur „Wiege eines lebendigen europäischen Ökosystems“ werden soll, wurde vor allem von Vertretern deutscher Unternehmen „konzipiert und erstellt“. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte kürzlich, Frankreich habe die Technologieunternehmen Dassault Systemes und OVH damit betraut, „die Dominanz der US-Unternehmen im Bereich Cloud Computing zu brechen“ (Reuters 2019). Gaia-X ist (noch) kein EU-Projekt und niemand weiß zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Bestimmtheit, wer die Richtung vorgeben und was daraus werden wird.
3.2.1.2. Rufe nach einer europäischen Zahlungssouveränität
Seit November 2019 unterstützen rund 20 europäische Banken aus acht Ländern der Eurozone ein neues europäisches Zahlungssystem, um führende außereuropäische Zahlungsdienstleister wie Visa, MasterCard, Alipay, Apple, Google und WeChat Pay herauszufordern. Banken mit Sitz in Deutschland und Frankreich machen einen großen Teil der Projektmitgliedschaft der sog. „European Payment Initiative“ (EPI) aus. Eine Entscheidung darüber, ob die EPI weiterverfolgt wird oder nicht, soll Mitte 2020 fallen.
Das EPI-Projekt wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) nachdrücklich unterstützt, die seit Langem die „Unfähigkeit oder Unwilligkeit“ europäischer Banken kritisiert, ein gesamteuropäisches Zahlungssystem zu entwickeln. Bereits 2010 schlossen sich 12 Banken aus acht Ländern dem sog. Monnet-Projekt an, einem Konsortium für ein erstes europäisches Zahlungssystem. Das Monnet-Projekt wurde ursprünglich von großen französischen und deutschen Banken ins Leben gerufen, scheiterte aber bald darauf an mangelnder Klarheit über ein nachhaltiges Geschäftsmodell.[4]
Die aktuellen Beweggründe für das Streben nach einem regionalen europäischen Zahlungsverkehrssystem mit globaler Reichweite sind vielschichtig, wobei geopolitische Überlegungen wohl zu den wichtigsten Katalysatoren gehören, wozu auch die Angst der EZB um internationalen Geltungsverlust gehört. Am 26. November 2019 begrüßte Benoît Cœuré, das ehemalige französische Mitglied des Direktoriums der EZB, dass die europäischen Banken ihre Bemühungen um die Einrichtung eines neuen gesamteuropäischen Zahlungssystems konsolidieren. Cœuré warnte, dass
[d]ie Abhängigkeit von nicht-europäischen globalen Akteuren das Risiko mit sich bringt, dass der europäische Zahlungsverkehrsmarkt unseren Binnenmarkt und unsere gemeinsame Währung nicht unterstützen kann, wodurch er anfälliger für externe Störungen wie Cyberbedrohungen wird, und dass Leistungsanbieter mit globaler Marktmacht nicht notwendigerweise im besten Interesse der europäischen Akteure handeln werden.
Cœuré ließ gleichwohl offen, bei wem es sich um diese Akteure handele, europäische Banken, Unternehmen der Realwirtschaft oder die Bürger Europas. Er fügte aber eine währungspolitische Dimension hinzu, nämlich dass Europas „strategische Autonomie im Zahlungsverkehr ein fester Bestandteil der europäischen Agenda ist, um die internationale Position des Euro zu stärken“. Gleichzeitig räumte Cœuré ein, dass Verbraucher zunehmend Zahlungsdienste verlangen, die grenzüberschreitend funktionieren und schneller, billiger und einfacher zu bedienen sind (EZB 2019).
Im März 2019 gab es auch Berichte, dass die Europäische Kommission neue Gesetze in Erwägung ziehe, um die Einführung eines neuen Zahlungsabwicklungssystems der EZB für den schnellen Geldtransfer zu unterstützen, und um beliebte Zahlungsdienste von ausländischen Technologieunternehmen in Europa herauszufordern. Im Juni 2019 kündigte die Kommission formell auch an, dass sie politische Optionen zur Stärkung der Rolle des Euro und zur Stärkung seiner globalen Relevanz prüfen werde, und um „die Autonomie der Zahlungslösungen in Europa zu erhöhen und die Dominanz der amerikanischen und asiatischen Apps und Dienste, die Europäer für ihre grenzüberschreitenden Zahlungen verwenden, herauszufordern“ (Europäische Kommission 2019). Auf der Linie der EZB ergänzte EU-Kommissar Dombrovskis im März 2020, dass „Zahlungen wichtig sind, weil sie auch eine Möglichkeit sind, die internationale Position des Euro zu stärken“.
Das Problem ist allerdings, dass ein auf die EU beschränktes Zahlungssystem für den Einzelhandel die internationale Bedeutung des Euro wohl kaum stärken würde. Es würde der EU auch keine neue Option bieten, die es beispielsweise bereits bei INSTEX[5] gibt, EU-Handel mit Ländern zu ermöglichen, für die es beispielsweise eine US-Sanktionspolitik gibt. Auch waren Privatkundenbanken oder Zahlungssysteme im Rahmen der US-Sanktionspolitik nicht Gegenstand eines Pauschalverbots.
Darüber hinaus sind natürlich auch ausländische Zahlungsnetzwerke und die Nutzer von Zahlungsdiensten gleichermaßen an Netzwerksicherheit und -widerstandsfähigkeit, Datenschutz und Vertrauen sowie Transaktionseffizienz und Innovation interessiert. Viele internationale Zahlungsdienste werden gerade deswegen genutzt, weil sie Verlässlichkeit, Ausfallsicherheit und ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Politiker und Entscheider im vorpolitischen Raum und in den Ministerien, die rein europäische Infrastrukturlösungen wie das EPI fordern und fördern, müssen sich gerade darüber im Klaren sein. Internationale Zahlungsnetzwerke haben zudem bereits die Möglichkeit, Transaktionen über mehrere Rechenzentren auf der ganzen Welt laufen zu lassen, lokale oder regionale Systeme – per Definition – nicht. Internationale Netzwerke können auch auf globale Daten für die Analyse von Cyberbedrohungen zurückgreifen, die es ermöglichen, Betrug auch außerhalb Europas aufzudecken, um schneller auf Risiken und Bedrohungen für Europäer zu reagieren. In einer Welt, in der Kriminalität, insbesondere Cyberkriminalität, nationale Grenzen überschreitet, sind nationale oder isolierte Zahlungssysteme anfälliger für Angriffe, da ihnen globale Analysen und globale Echtzeit-Warnsysteme fehlen. Weltweit organisierte Cyberkriminalität, wie Cash-Out-Angriffe, wird eher durch Echtzeitanalysen von Big Data erkannt und/oder verhindert, z. B. durch einen „umfassenden globalen ‚Data Lake‘ von Aktivitäten der Nutzer der Bankdienstleistungen“, welcher maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz einsetzt (FICO 2018, ENISA 2016).
Folglich würde eine gesetzlich verordnete oder zumindest protegierte europäische Zahlungsinitiative den Schutz und die Sicherheit der Zahlungsdaten nicht verbessern. Wo sich Daten befinden, hat keinen Einfluss auf die Sicherheit dieser Daten und erhöht auch nicht den Datenschutz. Die Datensicherheit hängt entscheidend von den Sicherheitssystemen und -protokollen ab, die Unternehmen einsetzen, unabhängig davon, wo die Daten gespeichert werden.
Außerdem würde ein rein europäischer Ansatz – im Namen der Technologiesouveränität – Innovationen in Europa verlangsamen oder gänzlich verhindern. So profitieren beispielsweise europäische FinTech-Player wie Revolut und Klarna stark von ihrer Zusammenarbeit mit globalen Zahlungsnetzwerken, da diese ihre Expansion auch über europäische Märkte hinaus erleichtert. Der anhaltende Erfolg der europäischen FinTechs hängt von der Zusammenarbeit mit und gegenseitigen Abhängigkeit von anderen global agierenden Unternehmen ab, von denen viele in und außerhalb der EU ihren Sitz haben.
Wenn die europäische Politik europäische Innovationen im Zahlungsverkehr und die Entstehung europäischer FinTech-Akteure fördern will, wäre sie besser beraten, auf offene Standards zu setzen, die internationale Zusammenarbeit und Austausch erleichtern, anstatt neue (parallele) Infrastrukturen aufzubauen und/oder die Wertschöpfungskette im Zahlungsverkehr zu regionalisieren. Europäische Gesetze, wie die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2), hat durch den Fokus auf die Standardsetzung bereits den Weg für Innovationen geebnet, die auch von europäischen Verbrauchern gewürdigt werden. Europäische FinTechs arbeiten jedoch häufig immer noch weitgehend innerhalb ihrer eigenen nationalen Grenzen, ohne einen Binnenmarkt für Privatkundengeschäft oder Zahlungsverkehr. Daher sollte die Politik der Beseitigung von Hindernissen viel mehr Aufmerksamkeit schenken, damit sich auch kleinere FinTech-Unternehmen in der EU über nationale Grenzen hinweg entwickeln und ggf. zu gesamteuropäischen oder gar globalen Akteuren werden können.
3.2.2. Protektionistische Interpretationen der Technologiesouveränität
Auch wenn über konkrete Maßnahmen wenig bekannt ist, scheint die neue industriepolitische Strategie von Befürchtungen geleitet zu sein, in einem von den USA dominierten Daten-Raum ohne europäische Champions „eingesperrt“ zu sein. Es ist daher keine Überraschung, dass einige der vorgeschlagenen Initiativen Gefahr laufen, einen neuen europäischen Protektionismus zu schüren, wenn nicht gar auf die Spitze zu treiben. Es ist ebenso wenig überraschend, dass ausländische Regierungen wie die USA diese Bedrohung bereits erkannt haben.
Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass die Abhängigkeit von ausländischen Technologien überhaupt keine Bedrohung für die europäische Autonomie im Sinne einer verringerten Wahlfreiheit bzgl. des Zugangs der Bürger und Unternehmen zu sicheren und verlässlichen Diensten darstellt. Technologien und Technologieunternehmen unterstützten die Europäer – und ihre Regierungen – in der Phase der politisch verordneten Beschränkungen immens. Der freie Zugang zu modernen Technologien ermöglichte Bürgern und Unternehmen in Deutschland und anderen europäischen Ländern trotz Lock-down, weiterhin ihren Geschäften nachzugehen und Einkommen zu sichern. Sie ermöglichte Bürgern, von zu Hause aus zu arbeiten, auf Rechenleistung über Cloud-Lösungen zuzugreifen, sich wichtige Produkte ins Haus liefern zu lassen, Heimunterricht zu erhalten, Online-Banking zu nutzen, etc. Deutschland und die Europäer wurden entsprechend auch souveräner in Bezug auf den freien Zugang zu Informationen, und Behörden nutzten Daten, um die Ausbreitung des Virus zu verfolgen und einzudämmen.
Darüber hinaus, stellte die Krise die Widerstandsfähigkeit der Länder global und ihre augenscheinliche Abhängigkeit von ausländischen und heimischen (nationalen) technologischen Lösungen faktisch auf den Prüfstand. Frühe Erkenntnisse deuten nun darauf hin, dass eigene – nationale – Lösungen nicht besser waren als bestehende europäische und internationale Lösungen. So konnte beispielsweise ein Fernlehrnsystem der französischen Regierung nicht all jenen Unterstützung bieten, die Online-Unterricht in Frankreich dringend benötigten. Einige nationale Vorzeigelösungen, darunter viele sog. Corona-Apps und Tracking-Systeme, bewährten sich im Wettbewerb um Verbraucher- und Nutzervertrauen einfach nicht, während bestehende europäische und globale Lösungen, von der Cloud-Infrastruktur bis zu Kommunikation, Zahlung, Shopping- und Streaming-Diensten, allesamt funktionierten. Auch haben viele Technologieunternehmen sehr schnell reagiert, um neu entstandene Probleme zu lösen, z. B. durch die Reduzierung des Bandbreitenverbrauchs, um Netzüberlastungen zu vermeiden.
Einige Politiker scheinen diese neuen Entwicklungen dennoch zu ignorieren und nutzen die Krise, indem sie „nun erst recht“ eine protektionistischere Auslegung der Technologiesouveränität für Europa fordern. Eine von Vernunft geleitete, ideologiebefreite Politik sollte jedoch erkennen, dass Bürger und Unternehmen wesentlich von den Technologien und Dienstleistungen innovativer – in- und ausländischer – Technologieunternehmen profitierten. Ein fehlgeleiteter Versuch, den Zugang zu den beliebtesten ausländischen technologiegestützten Dienstleistungen zu behindern, würde Deutschland und den Europäern nicht nur weniger Wettbewerb bescheren, sondern den Bürgern und Unternehmen auch mit weniger Auswahl und weniger Zugang zu Innovationen konfrontieren, was sich sowohl kurz- als auch langfristig negativ auf die wirtschaftliche Gesamtleistung auswirken würde.
Der Zugang zu ausländischen Innovationen, insbesondere zu digitalen und leistungsstarken Computertechnologien, wird entscheidend für Europas künftige wirtschaftliche Entwicklung bleiben. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der EU und der OECD kommt zu dem Schluss, dass EU-Unternehmen bezüglich ihrer Innovationskapazitäten im Bereich der digitalen und Computertechnologien klar hinterherhinken. Auf Basis von Daten für Patente, Marken und wissenschaftlichen Publikationen der weltweit führenden F&E-Investoren untersucht JRC-OECD (2019) die Rolle von Schlüsselakteuren in der Industrie bei der Eintwicklung von Technologien und insbesondere von künstlicher Intelligenz. Es zeigt sich, dass sich Unternehmen in der EU und der Schweiz bis 2016 weitgehend auf dieselben Technologiefelder wie in den Jahren 2010 bis 2012 spezialisiert haben. Es sei darauf hingewiesen, dass für US-Unternehmen im Allgemeinen das gleiche Muster gilt, auch sie waren auf genau die gleichen Technologien spezialisiert wie 2010-2012. Wie in Abbildung 4 dargestellt, übertreffen US-amerikanische (und chinesische) Unternehmen allerdings europäische Unternehmen (EU28 und die Schweiz) bei neuen IT- und KI-Technologien, die auch für traditionellere Sektoren aus der Landwirtschaft, detr verarbeitenden Gewerbe und den Dienstleistungssektoren immer wichtiger werden.
Dies sind Sektoren, in denen deutsche, französische und andere europäische Unternehmen derzeit relativ stark vertreten sind, z. B. Kraftfahrzeuge und Fahrzeugteile, der Gesundheitssektor und Umwelttechnologien (wie in Abbildung 5 und Box 3 dargestellt). Der europäische Automobil- und Transportsektor ist führend bei europäischen F&E-Aktivitäten. Aufgrund der hohen Spezialisierung finden noch immer mehr als 90 % der Forschungsaktivitäten der Automobilindustrie in der EU statt. Auf der anderen Seite weisen europäische Unternehmen einen erheblichen technologischen Nachholbedarf in den Bereichen Halbleiter, IT-Methoden, allgemeine Computertechnologien, grundlegende Kommunikationstechnologien digitale Kommunikationstechnologien, und audiovisuellen Technologien auf.
Was die neuen Technologien betrifft, so wird im EU-Scoreboard für F&E-Investitionen 2019 dargelegt: „Big Data und KI können in den meisten Sektoren [der Wirtschaft] umfassend angewendet werden.“ Auf Sektorebene werden KI und Big Data auch am häufigsten als hoch relevant für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit angesehen, sie gehören in sechs von acht Sektoren zu den wichtigsten drei Technologien. Diese Technologien werden künftig die vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten haben. Dies zeigt sich auch in der gemeinsamen Studie der JRC und der OECD zu Patenten im Bereich KI, wo KI auch in Branchen, die traditionell wenig IT-intensiv sind, einerseits weit verbreitet ist und zudem auch entwickelt wird. Andere IT-Technologien werden als wesentlich weniger wichtig für die künftige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen angesehen. Die Relevanz anderer Technologien, wie Industrie-4.0-Anwendungen und Robotik, wird als weniger stark eingeschätzt. IT-Dienstleistungen und IT-Hardwaretechnik gehören in keinem der Sektoren zu den wichtigsten Technologien für die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Die derzeitige Technologielücke in Europa bei vielen IT- oder digitalen Technologien könnte daher die internationale Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Unternehmen nachhaltig gefährden – natürlich auch die von traditionellen, weniger digitalisierten Branchen, die gegenwärtig international noch führend sind, wie den europäischen Automobilherstellern und Maschinenbauern.
Abbildung 4: Relativer Technologievorsprung (RTA, Revealed Technology Advantage) der weltweit führenden F&E-Investoren, 2014-16, nach Technologiefeld und Sitzland
Quelle: JRC-OECD (2019, S. 30). Hinweis: RTA-Indizes wurden für die großen Wirtschaftsräume erstellt, in denen die weltweit führenden F&E-Investoren ihren Hauptsitz haben. Der Indexwert wird anhand der IP5-Patentfamilien berechnet. Der RTA wird definiert als der Anteil der Patente in einem Technologiefeld für einen Wirtschaftsraum, geteilt durch den Anteil der Patente in demselben Feld auf globaler Ebene. Der Indexwert steigt mit dem Patentanteil in der jeweiligen Technologie.
Abbildung 5: Verteilung der Top-50-Unternehmen nach Hauptindustriesektor, 2018
Quelle: EU-F&E-Scoreboard 2019.
Box 3: Unternehmen mit Sitz in der EU haben gegenwärtig sehr starke Positionen im Automobilsektor und bei Umwelttechnologien
Quelle: EU-F&E-Investitionsanzeiger 2019.
In vielen Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, gibt es bereits große Internet- und Technologieunternehmen und innovative Start-ups. Viele dieser IT-Unternehmen entwickelten und adaptierten eigene und eingekaufte Innovationen. Führende europäische Technologieunternehmen, wie Atos und Criteo mit Sitz in Frankreich, Allegro mit Sitz in Polen, SAP mit Sitz in Deutschland, Wolt in Finnland, Spotify in Schweden, aber auch kleinere Unternehmen aus den vielfältigsten Branchen, profitierten erheblich von der letzten Technologiewelle, darunter Internet-basierte Marktplätze, mobile Kommunikation, Cloud- und Online-Zahlungsdienste. Daten zeigen allerdings auch, dass ein Großteil der europäischen Unternehmen insgesamt bei F&E-Aktivitäten und der kommerziellen Nutzung von digitalen Technologien und Geschäftsmodellen, schlecht abschneidet. Viele europäische, darunter auch viele deutsche, IT-Unternehmen waren in der Vergangenheit nicht in der Lage, mit der gleichen Geschwindigkeit größer zu werden wie US-amerikanische Technologieunternehmen und, in etwas geringerem Maße, erfolgreiche chinesische Internet-„Giganten“, die natürlich auch nach globalen Führungspositionen streben.
Die Europäische Kommission hat daher grundsätzlich Recht, wenn sie argumentiert, dass ein neuer Rechtsrahmen erforderlich sei, um die Wettbewerbsfähigkeit wichtiger europäischer Industrien, einschließlich der IT- und der nicht digitalen Sektoren, zu sichern. Zugleich wird die derzeitige politische Wahrnehmung einer europäischen Technologiesouveränität, die alte und neue europäische Industrien erfolgreich in die Zukunft überführt, kaum statisch bleiben können. Die nächste Welle der technologischen Innovation, die laut ITIF (2019, S. 3) „das Potenzial besitzt, die 20-jährige Produktivitätswachstumslücke [in und außerhalb der IT-Industrie], unter der die EU leidet, umzukehren“, wird die politischen Prioritäten hinsichtlich Sektoren, Technologien und adäquaten politischen Maßnahmen verändern. Fakt ist aber bereits heute, dass einem neuen EU-Protektionismus ganz einfach die Mechanismen und Anreizsysteme fehlen, die helfen könnten, die internationalen Positionen europäischer Unternehmen bei neuen Technologien mittel- und langfristig zu verbessern. Daneben treten weitere ernstzunehmende polit-ökonomische Probleme, die die Politik allerdings schon heute präventiv adressieren könnte, sodass sie künftig gar nicht erst auftreten.
Protektionistische Interpretationen einer europäischen Technologiesouveränität würden die bestehenden Spannungen in der internationalen Handels- und Investitionspolitik verstärken und neue Vergeltungsmaßnahmen gegen Europas starke Exportindustrien provozieren, die gerade die deutsche export- und investitionsintensive Wirtschaft überproportional treffen würden. Auch die aktuelle Debatte darüber, wie die EU-Wettbewerbsregeln zur Unterstützung von europäischen Industrie-Champions gelockert und gleichzeitig durch Ex-ante-Regeln und die genaue Prüfung von Fusionen und Übernahmen (M&A) verschärft werden können, um ausländische „Tech-Giganten“ einzuschränken, wird von den wichtigsten Handelspartnern der EU als große Provokation betrachtet. Sowohl die Politik als auch die Ministerialbürokratie in Deutschland, Brüssel und anderen EU-Mitgliedstaaten sollten auch deshalb nicht über Gewinner und Verlierer entscheiden.
Die Auswahl politisch gut vernetzter Unternehmen würde zwangsläufig europäische und internationale Märkte verzerren. Subventionen reduzieren gemeinhin die Risikobereitschaft des privaten Sektors und somit auch die Investitionen in Innovationen in der EU. Sondersteuern auf digitale Dienste, die vor allem auf ausländische Technologieunternehmen abzielen, wären diskriminierend und würden in Gegenmaßnahmen anderer Regierungen resultieren. Neue Sondersteuern für die Digitalwirtschaft würden ohnehin weitgehend von den Nutzern digitaler Dienste getragen werden und im Zusammenspiel mit Vergeltungsmaßnahmen sowohl die Unternehmen als Nutzer digitaler Dienste als auch die Endverbraucher in Europa treffen (Bauer 2019).
3.3. Europäische Reaktionen auf Sicherheitsrisiken im Internet: Cybersicherheit
Ein weiterer Strang der Debatte über eine europäische Technologiesouveränität kann durch politische Forderungen nach einer effektiveren Cybersicherheit erklärt werden. Die europäischen Bedenken hinsichtlich Cybersicherheit betreffen im Wesentlichen die Sicherheit von geschäftlichen und personenbezogenen Daten in einer zunehmend globalen Datenumgebung. Derartige Bedenken teilen sicherlich die meisten Regierungen, Unternehmen und Bürger in der EU. Cybersicherheitsbedrohungen sind groß und nehmen mit einer verstärkten globalen Vernetzung tendenziell zu – und sie betreffen die europäischen Verbündeten gleichermaßen. Bedrohungen gehen oft von Regierungen aus, die wenig Interesse an freiheitlich organisierten Gesellschaften, grundlegenden wirtschaftlichen Freiheiten und Demokratie haben und zum Teil auch die gegenwärtigen Strukturen der internationalen Wirtschaftspolitik untergraben wollen.
Im Hinblick auf kommerzielle Daten hat die Anwendung neuer Technologien, z. B. Cloud-Dienste, das Internet of Things (IoT) und 5G, das strategische Paradigma zum Schutz europäischer kommerzieller Interessen grundsätzlich verändert (Lee-Makiyama 2018). Wichtige Geschäftsinformationen, z. B. über Vertragsverhandlungen, Kunden- und Marketingdaten, Produktdesigns und F&E, werden heute häufig in Clouds gespeichert. In Bezug auf personenbezogene Daten und den Verbraucherschutz plagen die Politik entsprechend Sorgen über den Datenschutz und potenzielle Schäden für Unternehmen und Verbraucher durch Cyberangriffe. Diese Bedenken haben in den letzten Jahren zu einer Reihe von Vorschriften auf EU- und Mitgliedstaatenebene geführt, wie z. B. die DSGVO, die NIS-Richtlinie, den Cybersecurity Act und die vorgeschlagene ePrivacy-Verordnung. Die europäische Politik möchten jedoch noch einen Schritt weiter gehen.
In ihrer Strategie für die digitale Zukunft 2020 hebt die Europäische Kommission das Risiko von Cyberangriffen explizit hervor. Es wird argumentiert, dass “böswillige Cyberaktivität unser persönliches Wohlbefinden bedrohen oder unsere kritischen Infrastrukturen und unsere weiteren Sicherheitsinteressen stören kann“ (Europäische Kommission 2020b, S. 1). Ferner heißt es: „um gegen diese wachsende Bedrohung vorzugehen, müssen wir in jeder Phase zusammenarbeiten: einheitliche Regeln für Unternehmen und stärkere Mechanismen für den proaktiven Informationsaustausch ausarbeiten; die operative Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen der EU und den Mitgliedstaaten gewährleisten; Synergien zwischen ziviler Cyber-Resilienz und den Strafverfolgungs- und Verteidigungsaspekten der Cybersicherheit aufbauen; gewährleisten, dass Strafverfolgungs- und Justizbehörden effektiv arbeiten können, indem neue Instrumente zur Bekämpfung von Cyberkriminellen entwickelt werden; und zu guter Letzt das Bewusstsein der EU-Bürger für die Cybersicherheit schärfen.“ (S. 4)
Im Falle der Unterhaltungselektronik und ihrer raschen Verbreitung haben die politischen Entscheidungsträger in ganz Europa bereits Initiativen zur Verbesserung der Verbrauchersicherheit, des Datenschutzes und der Sicherheit vorangetrieben. Bedenken hinsichtlich künftiger wirtschaftlicher Auswirkungen schließen Risiken aus großangelegten Cyberangriffen ein, z. B. konzertierte Angriffe, die von großen Mengen unsicherer Datenspeicher und IoT-Geräten ausgehen. Die Politik versucht, solche Risiken durch Regulierung und Standardisierung zu bewältigen, wie z. B. die britische „Secure by Design“-Politik, das deutsche IT-Sicherheitsgesetz und den EU-Cybersecurity Act, welche Zertifizierungsrahmen für digitale IT-Produkte, -Dienstleistungen und -Prozesse etablieren sollen (DCMS 2018; BSI 2020; Europäische Kommission 2020).
Darüber, ob diese Maßnahmen tatsächlich dazu beitragen die Sicherheit für die Daten der Europäer zu erhöhen, kann man diskutieren. Regulierungen können tatsächlich zu sichereren Geräten und, was vielleicht noch wichtiger ist, zu einer besser informierten Öffentlichkeit im Hinblick auf die Nutzung moderner IoT-Geräte und Softwareanwendungen beitragen. Eine Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über Sicherheitsstandards würde die den Unternehmen und Verbrauchern auferlegte technische und administrative Belastung begrenzen. Eine „europäische Datenlokalisierung“ (data localisation), z. B. im Rahmen einer „European Cloud“, würde allerdings weder die Sicherheit der europäischen Daten erhöhen noch den Europäern erlauben, künftig von den innovativen Technologien und Diensten führender nicht-europäischer Anbieter zu profitieren. Europas Politik muss vielmehr sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen weiterhin Zugang zu neuen Technologien und technologiebasierten Geschäftsmodellen erhalten, um weiterhin von deren Verlässlichkeit sowie von Qualitäts- und Effizienzgewinnen profitieren zu können.
Zusätzlich zu den negativen wirtschaftlichen Folgen tritt ein weiteres grundlegendes Problem mit Cyber-Spionage. Wie Lee-Makiyama (2018) betont ist Cyber-Spionage in den meisten Fällen nicht nachweisbar. Zudem können Cyberangriffe von Regierungsbehörden nicht nach internationalem Recht sanktioniert werden, so dass es kaum Potenzial für eine UN-ähnliche Lösung auf multilateraler Ebene gibt. Diese Situation ist für einige Politiker in Europa unhaltbar und motiviert Forderungen nach neuen diplomatischen Ansätzen, wie beispielsweise der Vorschlag, den Zugang zum europäischen Binnenmarkt vom Spionageverhalten autokratischer Regime (oder von Akteuren in diesen Regimen) abhängig zu machen.
Beschränkungen des Marktzugangs könnten tatsächlich eine gewisse Hebelwirkung haben und Regierungen zu „gutem Verhalten“ motivieren – was letztlich immer ein Anliegen von Wirtschaftsdiplomatie ist. Solche Bemühungen auf Seiten der EU könnten jedoch auch die Türen für neue protektionistische Maßnahmen öffnen und selbst gegen EU-Verbündete diskriminieren, deren Unterstützung beim Schutz der Cybersicherheit benötigt wird, etwa OECD-Länder. Aus der Debatte über die Notwendigkeit, Investitionen von strategischer Bedeutung für Europa zu schützen, können Lehren gezogen werden (siehe z. B. Bauer und Lamprecht 2019). Ein sinnvoller Ausgangspunkt könnte der bereits bestehende Dialog zwischen der EU und den USA über die US-Strafverfolgung und nationale Sicherheitsgesetze während der jährlichen Überprüfung des EU-US Data Privacy Shields sein sowie die Aussicht auf eine Aufhebung dieses Datenübertragungsinstruments, sollte die Kommission der Ansicht sein, dass die US-Gesetze dem Datenschutz der EU-Bürger nicht gerecht werden.
Ähnlich wie bei Strategien zum Schutz von sog. strategischen Industrien muss die Gestaltung eines EU-Rahmens für Cybersicherheit die Integrität der übergeordneten wirtschaftspolitischen Ziele der EU anerkennen, insbesondere die langjährige Verpflichtung der EU für offene Märkte und eine diskriminierungsfreie Wirtschaftspolitik (siehe z. B. DG Trade der Europäischen Kommission 2015). In Bezug auf China – dessen Regierung Europas Politikern und Unternehmen in Bezug auf Cyberangriffe Sorgen bereitet – könnten politische Initiativen zur Cybersicherheit die günstige Gelegenheit nutzen, die sich aus den EU-Verhandlungen über ein Investitionsabkommen ergibt, und die chinesische Regierung verpflichtet, „nicht zu spionieren“, im Interesse eines dauerhaften Marktzugangs für chinesische Exporte und chinesischen Investitionen in der EU.
Die Politik in Deutschland, Brüssel und den EU-Mitgliedstaaten sollte daher das Risiko politischer Inkonsistenzen erkennen, z. B. Auswirkungen von Cybersicherheitsvorschriften auf die Integrität des Binnenmarktes und internationale Handels- und Investitionsregeln. Neue Vorschriften zur Cybersicherheit müssen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen auf die Sicherheit von personenbezogenen Daten und Unternehmensdaten entwickelt werden – und nicht aus geopolitischen oder gar ideologischen Erwägungen heraus, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren.
Eine Politik, die Datenlokalisierung in Deutschland oder in der EU fordert (die gerade auch von den Regierungen Chinas, Indiens und Russlands vorangetrieben und durchgesetzt wird), würde weder die Datensicherheit verbessern noch die Zahl der Cyberangriffe von Hackern und ausländischen Regierungen verringern. Die Datenlokalisierungsverpflichtungen würden die Daten- und Technologiesouveränität in den EU-Mitgliedstaaten faktisch verringern, da der Zugang von Bürgern und Unternehmen zu qualitativ hochwertigen, sicheren und verlässlichen Diensten verringert würde. Europäische oder nationale Datenlokalisierungsgesetze würden zudem politisch unerwünschte Signale an autoritäre Regierungen senden, die die europäischen Werte in Bezug auf die grundlegenden Menschenrechte nicht teilen. Europäische Datenlokalisierungsgesetze würden autokratische Regime zudem geradezu ermuntern, selbst Gesetze für Datenlokalisierung zu erlassen, die gegen ausländische Unternehmen diskriminieren und zudem die Ausspähung und Repression der eigenen Bürger erhöhen würden. Dies würde auch dem Ziel der DSGVO und der EU-Politik allgemein widersprechen, EU-Grundwerte in Entwicklungs- und Schwellenländer zu exportieren.
[1] Im Mai 2004 traten 10 Länder der EU bei: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Ähnliches gilt für Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Bulgarien und Rumänien wurden im Januar 2007 Mitglieder der EU. Als letztes Land trat Kroatien im Juli 2013 der Union bei
[2] Zum Beispiel aufgrund der etablierten Prozesse und Managementpraktiken von etablierten Unternehmen (Henderson und Clark 1990); geringe Flexibilität der etablierten Unternehmen aufgrund des angesammelten organisatorischen und technologischen Wissens (Christensen und Bower 1996); Unfähigkeit von etablierten Unternehmen, mehrere Technologiewellen anzuführen (Benner und Tushman 2002); und Befürchtungen von etablierten Unternehmen, ihre eigenen Märkte zu kannibalisieren.
[3] Reding (2016, S. 1–2) argumentiert beispielsweise, dass die „EU der größte Wirtschafts- und Handelsblock der Welt ist, aber Gefahr läuft, ihre digitale Souveränität zu verlieren – ihre Fähigkeit, die Normen und Standards der Informationstechnologie zu beeinflussen, die eine entscheidende Rolle für die Entwicklung im 21. Jahrhundert spielen.“ Reding erklärt weiter, dass “[S]ouveränität ‚die Fähigkeit ist, eigene Handlungen und Normen zu bestimmen’. Bei dieser allgemeinen Definition herrscht schnell Einigkeit. Aber der tiefe Sinn der Souveränität liegt in unserem Handeln. Wir können sie hernehmen, um Grenzen und Zäune zu errichten und uns in eine Insel verwandeln. Genau das riskieren einige europäische Politiker, die sich in einem Gewirr an vielerlei nationalen Vorrechten verlieren. Wer klein denkt, bleibt klein, er verzichtet auf alle Möglichkeiten, die Globalisierung zu gestalten.“
[4] BNP Paribas, BPCE, Crédit Agricole, Crédit Mutuel, La Banque Postale, Société Générale, Deutsche Bank, DZ BANK, Postbank (French Banking Federation 2010).
[5] Das Instrument in Support for Trade Exchange (INSTEX) ist eine europäische Zweckgesellschaft, die im Januar 2019 gegründet wurde. Ihr Zweck sind Transaktionen mit dem Iran, die nicht in US-Dollar und außerhalb von SWIFT abgewickelt werden, um Verstöße gegen US-Sanktionen zu vermeiden.
4. Empfehlungen zu Prinzipien und Chancen aus dem Streben nach Technologiesouveränität
Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass Bürger, Unternehmen und öffentliche Institutionen gemeinhin auf widerstandsfähige IT-Systeme setzen, die auf der Energie, den Erfindungsreichtum und die Zuverlässigkeit von in- und ausländischen Unternehmen aufbauen. Angesichts all dessen, was wir aus der Krise durch Covid-19 gelernt haben, sollte dies auf einen neuen Ehrgeiz in der Europapolitik hindeuten – einen politischen Ehrgeiz, der weniger Wert auf eine wie auch immer geartete gesetzlich vorgeschriebene „Unabhängigkeit“ und neue EU-Vorschriften legt. Richtig definiert kann Technologiesouveränität die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Autonomie Deutschlands und anderer europäischer Mitgliedstaaten und die Wettbewerbsfähigkeit der unzähligen europäischen Unternehmen verbessern. Ein offener Ansatz für Technologiesouveränität kann europäischen Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen, an die Spitze der technologischen Entwicklungen anzuknüpfen, was sich wiederum positiv auf den langfristigen globalen diplomatischen Einfluss von Europas Politik auswirken würde.
Falsch definiert, würde das Konzept der Technologiesouveränität die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen verringern. Bürger und Unternehmen in der EU würden im schlechtesten Fall nur noch Zugang zu Technologien, Unternehmen und Diensten haben, die veraltet und nicht global wettbewerbsfähig sind. Eine fehlgeleitete Form der Technologiesouveränität würde, wenn überhaupt, nur zu einer fiktiven politischen Souveränität führen: Der Europapolitik stünde es dann zwar frei, ihre „eigenen“, aus der EU stammenden Technologien und Standards per Gesetz zu manifestieren, diese würden aber nicht den politisch gewünschten wirtschaftlichen und innovationsfördernden Nutzen bringen. In Wirklichkeit würden der europäischen Wirtschaft Chancen und wichtige Innovationsanreize entzogen. Solche Ambitionen würden infolgedessen zum Bedeutungsverlust der europäischen Politik in der internationalen Wirtschaftsdiplomatie, also der Gestaltung internationaler Gesetze und Normen führen. Die Standards für die digitale Zukunft würden von anderen gesetzt.
Die EU hat nur einen Anteil von 10 % an der Weltbevölkerung. Die meisten Daten der Welt kommen daher aus Nicht-EU-Ländern. Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte zu Recht: „Wir alle wissen, dass unsere Algorithmen umso intelligenter sind, je mehr Daten wir haben. Das ist eine sehr einfache Gleichung. Deshalb ist es so wichtig, Zugang zu den Daten zu haben, die da draußen sind.“ Während viele EU-Bürger tatsächlich besorgt sind, wenn europäische Daten in Nicht-EU-Länder fließen, wird die künftige Herausforderung für viele international tätige Unternehmen in Europa darin bestehen, auf die Daten von Nicht-EU-Bürgern zugreifen zu können. Digitale Unabhängigkeit oder Datenunabhängigkeit als eine Form von europäischer Technologiesouveränität ist daher keine realistische Lösung, um Souveränität in Bezug auf Technologien zu erlangen. Isolationismus ist attraktiv für diejenigen, die sich davon geschäftliche Vorteile für einen bestimmten Zeitraum in einem politisch abgeschirmten Raum erhoffen. In Wahrheit würde Isolationismus die Fähigkeit der europäischen Politik untergraben, gegen spezifische Probleme in Bezug auf Datensicherheit und Datenintegrität vorzugehen. Protektionismus und Autarkie bei Daten- oder Informationstechnologien würden die globale Wettbewerbsfähigkeit der vielfältigen europäischen Industrien verringern und die bereits heute deutlichen Investitions- und Produktivitätslücken der EU gegenüber den weltweit stärksten Ländern und Regionen vergrößern.
Im Gegensatz dazu sollte ein auf Autonomie für Bürger und Unternehmen ausgerichtetes Konzept zur Technologiesouveränität, einen offenen Zugang europäischer Bürger und Unternehmen zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen gewährleisten. Dies betrifft insbesondere Technologien, die aus der nächsten Innovationswelle in digitalen und nicht-digitalen Bereichen hervorgehen. Ein solches Verständnis von einer europäischen Technologiesouveränität müsste zwangsläufig mit der Bereitstellung von Ausbildung und Humankapital beginnen. Es erfordert zudem eine starke – bislang nie dagewesene, weil politisch nicht gewollte – Ausrichtung auf die Beseitigung von nationalen rechtlichen Barrieren im unvollkommenen europäischen Binnenmarkt. Diese dürfte einigen EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, dessen Politik sich auf EU-Ebene am lautesten für protektionistische Versionen einer europäischen Technologiesouveränität einsetzt, zu weit gehen. Realistische und zukunftsgewandte Regierungen sollten indessen anerkennen: Anders als in den USA und China behindern unzählige widersprüchliche und häufig obsolete nationale Gesetze europäische Unternehmen daran, sich durch Expansion und Skalierung zu international wettbewerbsfähigen Unternehmen und investitionsgetriebenen Innovatoren zu entwickeln.
Ein auf Autonomie für Bürger und Unternehmen ausgerichtetes Konzept europäischer Technologiesouveränität wird auch mit der erfreulichen Erkenntnis beginnen müssen, dass Europa nicht in allen Bereichen Nachzügler ist und dass viele europäische Unternehmen – kleine und große – Waren, Dienstleistungen und Innovationen in andere Regionen bringen. Wie jede andere Region hat Europa sowohl Stärken als auch Schwächen, und jedes politische Programm zur Verbesserung der Autonomie und der effektiven Souveränität muss mit der Beseitigung der spezifischen Schwächen beginnen, ohne die Stärken zu untergraben. Kein Land der Welt könnte allein Spitzentechnologien und -Dienstleistungen über die gesamte digitale und technologische Bandbreite und über Lieferketten hinweg liefern. Wie auch in anderen Teilen der Wirtschaft entstammt effektive Souveränität – unsere Fähigkeit, Technologie zu verstehen und zu nutzen – aus der Zusammenarbeit mit anderen.
Ein Heraufbeschwören eines globalen Technologie- oder Industrieprotektionismus durch die Europapolitik würde Deutschlands und Europas Stärken nachhaltig unterminieren. Protektionistische Ansätze wie Sondersteuern auf digitale Dienstleistungen oder neue KI-Lizenzverpflichtungen würden negative politische Reaktionen aus anderen Teilen der Welt nach sich ziehen. Deutsche und andere europäische Unternehmen – und nicht nur diejenigen, die Technologie und digitale Dienste anbieten – liefen Gefahr, den Marktzugang im Ausland zu verlieren, weil ausländische Regierungen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen würden, die ins Mark der deutschen Industrie treffen würden.
All dies sollte offensichtlich sein. Vergeltungsmaßnahmen gehören zur Realität der Wirtschaftspolitik und der internationalen Wirtschaftsdiplomatie. Für die Politik Deutschlands, das gegenüber der übrigen Welt einen erheblichen Handelsüberschuss aufweist, insbesondere in Sektoren mit hoher Technologie- und Wissensintensität, sollten die Signale der Abschottung aus Brüssel und Paris daher eine Warnung sein: Eine protektionistische europäische Technologiepolitik würde die zukünftige Autonomie der deutschen Bürger und Unternehmen und deren Wohlstand verringern. Eine Europapolitik, die Europa von anderen sowohl entwickelten als auch weniger entwickelten Volkswirtschaften abschottet, wird letztlich die Kontrolle über die Zukunft verlieren. Sie wird auch Möglichkeiten verlieren, Gesetze, Vorschriften und Normen gemeinsam mit gleichgesinnten Ländern festzulegen.
Und schließlich ist da noch die wichtige Frage des Vertrauens. Eine Politik der „Verordnung und Kontrolle“ kann nachhaltige wirtschaftliche Schäden verursachen, weil die Welt der Technologie und Daten komplex ist und nicht so einfach wie etwa Stahl oder Chemikalien durchreguliert werden kann. Ein vielversprechender Ansatz für eine europäische Technologiesouveränität besteht für die Europapolitik darin, die Bemühungen zur Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern zu vertiefen – Ländern, die Grundrechte ernst nehmen und die auf ähnliche Weise Maßnahmen zur Verbesserung von Datensicherheit und Datenintegrität vorantreiben wollen. Es gibt viele solche Länder in der Gemeinschaft der OECD, und die Zusammenarbeit mit ihnen ist notwendiger Bestandteil einer zukunftsgewandten europäischen Wirtschafts- und Technologiepolitik. Sie kann dazu beitragen, die europäischen Bürger und Unternehmen souveräner zu machen, und sie besser in die Lage versetzen, die Möglichkeiten zu nutzen, die der technologische Wandel und die Globalisierung bringen.
Um eine informierte Diskussion über die kürzlich veröffentlichten EU-Strategien für Digitales, Daten, Künstliche Intelligenz und Industriepolitik zu ermöglichen, skizziert Tabelle 6 potentielle Chancen und wesentliche wirtschaftspolitische Risiken. In der Tabelle werden wichtige Aspekte dargestellt, die anhand von drei potenziellen politischen Inkonsistenzen auf EU-Ebene bewertet werden: Wirksamkeit der Politik (Erreichen der Ziele), Effizienz (Erreichen der Ziele bei minimalen Kosten) und dynamische Auswirkungen (Perspektiven für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Europas).
Tabelle 6: Chancen und Risiken der neuen Initiativen der EU in den Bereichen Industrie, künstliche Intelligenz und Daten
Quelle: ECIPE
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Anhang
Tabelle 7: Anzahl der Patente nach Technologiesektor
Quelle: Europäisches Patentamt. Hinweis: Veränderungen für Zeitraum 2018–2019 Die europäischen Patentanmeldungen umfassen direkte europäische Anmeldungen und internationale (PCT-)Anmeldungen, die während des Berichtszeitraums in die europäische Phase eingetreten sind. Die Definition der Felder basiert auf der WIPO IPC-Technologie Konkordanztabelle. Die geografische Herkunft basiert auf dem Wohnsitzland des ersten Antragstellers, der auf dem Antragsformular aufgeführt ist (Grundsatz des erstgenannten Antragstellers). In den Fällen, in denen mehrere Bewerber auf dem Antragsformular genannt werden, gilt das Wohnsitzland des ersten aufgelisteten Antragstellers.
Tabelle 8: Anzahl der Patente nach Unternehmen, Top 30 der Anmelder, Deutschland vs. Frankreich
Quelle: Europäisches Patentamt. Hinweis: Die europäischen Patentanmeldungen umfassen direkte europäische Anmeldungen und internationale (PCT-)Anmeldungen, die während des Berichtszeitraums in die europäische Phase eingetreten sind. Dies ist das Ranking der wichtigsten konsolidierten Anmelder beim EPA im Jahr 2019 (Grundsatz des erstgenannten Antragstellers). Es basiert auf europäischen Patentanmeldungen beim EPA, und zwar direkten europäischen Anmeldungen und internationalen (PCT-)Anmeldungen, die während des Berichtszeitraums in die europäische Phase eingetreten sind.